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#149
vom 12. Juli 2024

Hier geht's raus
zum Verbrenner-Aus

von Katja Evers
Hallo zusammen,

na, haben Sie auch das Viertelfinalspiel letzten Freitag verfolgt? Falls ja, ist ihnen vielleicht in diesen 120 Minuten Fußballdrama, das ein oder andere Mal die Buchstabenfolge BYD an den bunten Reklametafeln entgegengesprungen.

BYD ist ein chinesischer Elektroautohersteller (der übrigens hier bei mir ums Eck in Norwegen direkt eine Filiale hat). Der Name steht für "Build Your Dreams" – bewusst englisch für den internationalen Markt. Und er ist offizieller Partner der Fußball-EM.
Ein Platz, den bisher Volkswagen eingenommen hatte. Entthront, ausgerechnet bei einer EM in Deutschland. 
 
Damit das nicht auch an anderer Stelle passiert, will die EU eingreifen. Jetzt gibt es Strafzölle auf Elektroautos aus China. Das Problem: Im schlimmsten Fall schadet es sogar der Elektromobilität in Deutschland.  Warum und welche drei Faktoren nötig sind, dass das Verbrenner-Aus tatsächlich kommen kann. Dazu gleich mehr. 

Erst einmal wie gewohnt zur …

ZAHL DER WOCHE

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… Euro für das Deutschlandticket würden die Menschen schon als teuer empfinden. Das zeigt eine kürzlich veröffentlichte Untersuchung mehrerer Fraunhofer-Institute. Das sind gerade einmal vier Euro mehr als das bisherige Ticket. Damit ist die Hürde, eine akzeptable Preiserhöhung zu finden, besonders hoch. Die soll aber kommen. Das kündigten die Verkehrsminister der Länder nach einer Sondersitzung am Montag an. Um wie viel genau es geht, darüber wollen sie allerdings erst im Herbst beraten. 

Warum Zölle das Problem nicht lösen

Zunächst einmal muss ich eines voranstellen: Es gibt in dieser Sache nicht das eine europäische Interesse und auch nicht die europäischen Hersteller. Einige wie etwa die französischen Hersteller profitieren möglicherweise von den Zöllen, denn sie stehen mit Elektrofahrzeugen im billigeren Preissegment auch stärker in Konkurrenz zu den Chinesen.
 
Die deutschen Hersteller tun das nicht. Sie setzen eher auf teure, hochwertige Fahrzeuge. Die Strafzölle sind hier eher ein Dorn im Auge: In einem offenen Brief hat der Verband der Automobilindustrie sogar vehement vor den Folgen für die heimische Wirtschaft gewarnt. Denn viele der deutschen, auch europäischen Autos werden in China produziert und sind damit selbst von den Zöllen betroffen.

Daneben liegen wichtige Rohstoffe und Batterien, die für E-Autos notwendig sind, in chinesischer Hand. Heißt im Klartext: Es kommen nicht nur keine billigeren Elektroautos aus China, sondern auch die Autos auf dem heimischen Markt könnten sich verteuern.  

Sind die Strafzölle also nur ein weiterer Schritt gegen die Elektromobilität? Jein! Es könnte für die deutsche Autoindustrie auch die Chance sein, eigene konkurrenzfähige, günstige Elektrofahrzeuge auf den Markt zu bringen. Dafür müssen aber folgende drei Punkte erfüllt werden:

1. Schluss mit dem politischen Hü und Hott

Falls Sie ein kleines Kind haben, wissen Sie wovon ich jetzt spreche: Sie können sich das Fernsehverbot vornehmen wie sie wollen. Wenn sie dann doch – entgegen ihrer Ankündigung – ab und an eine Sendung zulassen, wird Ihnen Ihr Kind ein "Nein" nicht mehr unbedingt abnehmen und eher noch frustrierter sein, wenn Sie es tatsächlich nicht zulassen.
 
Ähnlich ist das für die Autohersteller: Ein ständiges Hü und Hott sorgt für einen Verlust an Glaubwürdigkeit und Unsicherheit, so etwa Thorsten Koska vom Wuppertal Institut Klima, Umwelt, Energie. Ihm zufolge hätten in den letzten Jahren "verschiedene politische Akteure die EU-Flottengrenzwerte mit dem Verbot für fossile Verbrenner in Frage gestellt und deren Abschwächung angekündigt". Auch dass die Bundesregierung die Förderung von E-Fahrzeugen einstellt, würde den Markt weiter schwächen. 

2. Zuckerbrot und Peitsche oder neudeutsch: Bonus-Malus

Tatsächlich ist seitdem die Nachfrage gesunken. Eine Delle, vermutet Thorsten Koska, die sich langfristig wieder geben wird. Für den Klimaschutz trotzdem ein Dämpfer, vor allem in Deutschland, wo sowieso schon viele Voruteile kursieren. 

Dabei gäbe es ihm zufolge auch Möglichkeiten, Anreize ohne entsprechende Haushaltsmittel zu schaffen: Mit einer Neuzulassungssteuer für Verbrenner und einem entsprechenden Steuerwegfall für Elektroautos. Eine Art Bonus-Malus-System wie es bereits in vielen europäischen Ländern der Fall ist – etwa in Norwegen. Das hieße: Einen klares Signal für die Elektromobilität, mehr Steuereinnahmen für die Regierung und entsprechende Anreize für die Verbraucher.
 
Win-Win-Win. Und die Autoindustrie? „Es gibt die Vorstellungen, man würde der Automobilindustrie helfen, wenn man den Verbrennungsmotor länger leben lässt“, so Thorsten Koska. "Letztendlich besteht die Gefahr, und das sehen wir auch aktuell, dass Investitionen in Innovation, in neue E-Auto-Technik, Batteriefabriken und Ähnliches aufgeschoben werden und damit die Hersteller drohen, weiter den Anschluss zu verlieren."

Das Problem sieht auch Psychologe Christian Stöcker in einer  Spiegel-Kolumne, die ich Ihnen wärmstens empfehlen kann. Dort schreibt er über das zögerliche Verhalten der Autoindustrie und darüber, dass ausgerechnet ein Wirtschaftsbuch aus den 90ern das Dilemma erklärt: Demnach würden Produkte, die heute noch nicht nützlich erscheinen, morgen genau die Bedürfnisse der Kund*innen decken. Wer nach Nachfrage geht, hinkt immer hinterher.

Soll heißen: Statt darauf zu warten, bis alle eingestiegen sind, sollten die Hersteller zuerst am Zug sein. Und ein guter Start ist der Preis. 

3. Der Preis muss heiß werden 

Der ist der größte Kritikpunkt. Denn, dass Staaten wie Deutschland die Elektroautos subventioniert haben, hat den Autoherstellern auch gleichzeitig die Möglichkeit gegeben sich darauf auszuruhen. Auch die Bundesregierung fordert: die Anschaffungskosten müssen gesenkt werden.  
 
Etwas, dass die asiatischen Hersteller beherrschen: Im Gegensatz zu den europäischen bieten sie Elektroautos der unteren Mittelklasse für Preise unter 10.000 in großer Stückzahl an, auch BYD. Zum Vergleich: Die meisten europäischen Kleinwagen, die der ADAC auflistet, liegen im Preisbereich von 20.000 bis 40.000.

Die Preise kämen aber nicht nur durch chinesische Staatsubventionen zustande (ein Hauptgrund für die Strafzölle), so Maximilian Fichtner vom Institut für Nanotechnologie am Karlsruher Institut für Technologie. "Asiatische Hersteller sind schlicht innovativer, pragmatischer und setzen neue Erkenntnisse schneller in bezahlbare Hochtechnologie um." Etwa bei Akkus. So sorgten chinesische Entwickler für eine Renaissance der Lithium-Eisenphosphat-Batterie, die billiger ist als der Lithium-Ionen-Akku, setzen zunehmend auf Wechselakkus und entwickelten das Auto mit dem niedrigsten Luftwiderstand.
 
Für deutsche Hersteller heißt das, in neue Techniken investieren, auch kleine, erschwingliche Fahrzeuge anbieten. Größter Faktor ist dabei die Batterie, so Thorsten Koska. Die müsste innovativer und in Massen angefertigt werden. "Dort hat China und insgesamt Südostasien einen aktuell großen Vorsprung, der aber aufgeholt werden kann, wenn die europäische Industrie sich darauf künftig fokussiert."

Denn ist der Preis gut, sind auch die Verbraucher schneller zu überzeugen. Der große Durchbruch in Norwegen ist nicht anders entstanden. Und der Markt in Euopa ist auf jeden Fall da.

Termine

Sonnabend, 13. Juli – Bad Harzburg
Bei einer Ganztagswanderung „Wilde-Wald-Wandel-Tour“ erfahren geübte Wandersleute vom Ranger, warum das Chaos im Nationalpark gewünscht ist und warum der Borkenkäfer zu einem Wald im Wandel dazugehört. Infos
Mittwoch, 17. April – Berlin und online
Die Heinrich-Böll-Stiftung widmet sich in einer Podiumsdiskussion der Frage, ob ein internationales Recht zum Schutz der Natur machbar und notwendig ist. Anmeldung
Donnerstag, 18. April – online
Die AWO lädt zu einer einstündigen Auseinandersetzung mit klimaangepasster und hitzeresilienter Dienstkleidung und erklärt die Vor- und Nachteile bestimmter Stoffe. Anmeldung

Klima und Menschheit

Klimaschutz bei Kreuzfahrten: Neues Ranking veröffentlicht
Der Naturschutzbund Nabu hat die aktuelle Klimafreundlichkeit verschiedener Kreuzfahrt-Reedereien bewertet und jetzt in einem Ranking veröffentlicht. Besonders gut schneiden erneut norwegische Unternehmen ab, mit Hurtigruten und Havila auf Platz eins und zwei. Die Reedereien hätten ihre Schiffe so ausgestattet, dass der CO2-Ausstoß minimiert würde. Von Klimaneutralität sei man sowohl bei den ersten Plätzen als auch insgesamt in der Branche noch weit entfernt. Der TUI-Neuzugang "Mein Schiff 7" sei eine löbliche Ausnahme, weil das Schiff in Zukunft mit grünem Methanol fahren könne.

Der Nabu betonte, Hafenstädte wie Hamburg, Kiel und Rostock böten löblicherweise inzwischen Landstrom an, der die Klimabelastung von Kreuzfahrtschiffen während der Liegezeiten prinzipiell sofort auf null senken könne, indem zur Energieversorgung Strom aus erneuerbaren Quellen zur Verfügung gestellt wird.
Über den Verhältnissen: Klimaerwärmung liegt seit einem Jahr bei über 1,5 Grad
Das geht aus aktuellen Daten des Klimawandeldienstes des europäischen Erdbeobachtungsnetzwerks Copernicus hervor. Demnach sei der Juni 2024 nicht nur der zwölfte Monat in Folge, der das Klimaziel von Paris erreicht oder überschritten hat, sondern auch der 13. Rekordmonat überhaupt und damit so warm wie kein Juni seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Die aktuelle Rekordserie sei mehr als eine statistische Kuriosität, sondern verdeutliche einen anhaltenden Klimawandel, heißt es.

Der Copernicus-Klimawandeldienst betont, dass andere Datensätze bei einzelnen Monaten möglicherweise eine Unterschreitung der 1,5-Grad-Linie zeigen, da hier die Überschreitung relativ gering war. Zudem bezögen sich die Zielvorgaben des Pariser Klimaschutzabkommens auf eine Durchschnittstemperatur von 1,5 und 2 Grad in einem Zeitraum von zwanzig bis dreißig Jahren.
Flora Incognita: Mit App-Daten Klimawandel-Veränderungen bei Pflanzen feststellen
Ein Team aus mitteldeutschen Forschenden hat einen Algorithmus entwickelt, mit dem sich Beobachtungsdaten der App Flora Incognita analysieren lassen. Die App dient Nutzenden seit vielen Jahren in erster Linie zur Bestimmung von Pflanzenarten. Mit der Datenauswertung sollen jahreszeitliche Verschiebungen von Pflanzenmerkmalen im Zuge des Klimawandels analysiert werden können.

Durch das veränderte Auftreten von Merkmalen wie Austrieb oder Blüte können Rückschlüsse auf regionale Auswirkungen des Klimawandels gezogen werden, wie das frühzeitigere Einsetzen des Frühlings. Der jetzt vorgelegte Algorithmus ist in der Lage, große Mengen dieser Daten auf Verhaltensmuster von Pflanzen hin zu untersuchen. Das Verfahren berücksichtige dabei auch, dass Beobachtungen von Nutzenden nicht immer synchron erfasst werden und in der Fläche ungleich verteilt seien.

ARD, ZDF und DRADIO

"Tourist go home"

Ein Podcastfolge darüber, wie zerstörerisch Massentourismus sein kann. 

Schlecht fürs Klima

sind die Pläne der Ampel. Wieso, das ist Thema der Podcastfolge.

Die Natur zurückholen

Das versuchen  Menschen in dieser Doku, um verlorengeglaubte Orte wiederzubeleben.

👋 Zum Schluss

Ob nun Strafzölle oder nicht: BYD möchte trotzdem den europäischen Markt erobern. In Deutschland wird der Hersteller aber in jedem Fall gegen Vorurteile kämpfen und sich in der Kommunikation anpassen müssen.

Einen kleinen Fauxpas gab es schon bei der EM: Auf der Bandenwerbung warb der Autobauer damit die "Nummer eins" unter den "NEV-Herstellern" zu sein. NEV, New Energy Vehicles – ein in China üblicher Begriff für Autos mit alternativem Antrieb. Blöd nur, dass in Deutschland damit wohl kaum jemand etwas anfangen konnte.

Ob es die Werbung noch gibt? Das finden Sie am besten selbst heraus. Am Sonntag beim EM-Finalspiel.
 
Liebe Grüße
Katja Evers

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