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#215
vom 24. November 2025

Energiewende für Mieter: Wird Heizen zum Luxus?

von Inka Zimmermann

Liebe Lesende,

kennen Sie diese unerträglichen Menschen, die durch die Wohnung laufen und in jedem Raum die Heizung herunterdrehen? Tja, das bin ich. Nicht, weil ich so eine großartige Klimaschützerin wäre. Es liegt am Geld. Meine Wohnung ist unsanierter Altbau, direkt über der zugigen Hofeinfahrt, beheizt mit einem Gas-Durchlauferhitzer. Sie richtig warm zu bekommen, würde ein Vermögen kosten. Dazu kommt, dass Heizen auch 2025 voraussichtlich wieder teurer wird.   

Etwa 30 Prozent der jährlichen CO2-Emissionen entstehen in Deutschland durch den Betrieb von Gebäuden – Heizen macht den Großteil davon aus. Und ist deshalb Gegenstand hitziger politischer Debatten. Dabei geht es häufig darum, was Gebäudeeigentümer unternehmen können oder müssen. Um die Mieter geht es seltener. Dabei läuft gerade diese Gruppe Gefahr, bei der Energiewende unter die Räder zu kommen. Mehr dazu diese Woche.

Außerdem: Der Newsletter meines Kollegen Clemens Haug vergangene Woche provozierte bei einigen von Ihnen kritisches Feedback. Einen kurzen Auszug daraus finden Sie am Ende dieser Mail. 

MOMENT DER WOCHE

Offenbar schon etwas länger hängt dieses Plakat an einer Tankstelle in Lichtenau (Mittelfranken). Der Slogan: "Unser Klima würde E-Fuels tanken", vermittelt ebenfalls einen verblichenen Charme. Siehe auch Klima-Update #84. 

Triggerthema Heizung 

Die Novelle des Gebäudeenergiegesetzes, auch bekannt als Heizungsgesetz, war im Sommer 2023 Auslöser hitziger Debatten – verabschiedet wurde das Gesetz dann aber doch. Zumindest vorerst: Im Frühjahr dieses Jahres hatten Friedrich Merz und seine neue Regierung angekündigt, das Gesetz wieder abschaffen zu wollen. Bis jetzt ist das noch nicht passiert – nach aktuellem Stand soll es nun bis Ende 2025 neue Pläne geben. Wie die aussehen werden, ist bisher nicht klar. Aktuell heizen die meisten Haushalte noch immer mit Gas und Erdöl. Die Grafik zeigt: In den vergangenen Jahren hat sich daran kaum etwas geändert.

Ein Vorschlag, den die CDU Anfang des Jahres eingebracht hatte: das Heizungsgesetz durch eine konsequente CO2-Bepreisung ersetzen. Das würde bedeuten, es gäbe keine politischen Vorgaben mehr dazu, wie eine klimafreundliche Heizung erreicht werden soll – aber dennoch würden fossile Heizungen sanktioniert. Der Vorschlag hat allerdings einen Haken: Die CO2-Abgaben würden – wenn es keine andere Regelung gibt – zu einem erheblichen Teil von den Mietern getragen.

Damit kämen enorme Kosten auf viele Mieter zu. Malte Bei der Wieden vom Öko-Institut hat in einer Studie durchgerechnet, wie hoch der CO2-Preis für Erdgas und Heizöl angesetzt sein müsste, wenn Klimaneutralität im Gebäudesektor alleine über diesen Preis erreicht werden soll: „Das Ergebnis unserer Berechnungen ist ein CO2-Preis von über 500 Euro pro Tonne, also zehnmal so hoch wie jetzt“, erklärt er. Rechnet man diesen CO2-Preis auf Gas an, würde das bedeuten: Es kostet ungefähr doppelt so viel wie jetzt. Wer mit Gas heizt, müsste der Studie zufolge durchschnittlich mit fast 1.500 Euro Mehrkosten rechnen.

Dass die Bundesregierung einen so hohen CO2-Preis tatsächlich umsetzen würde, halte er für unwahrscheinlich, sagt Bei der Wieden. Aber das Beispiel zeigt, welches Risiko die Energiewende birgt: Steigt der CO2-Preis künftig weiter an, wird Heizen für viele Menschen mit fossilen Heizungen zum Luxus. Die Beratungsgesellschaft co2online prognostiziert, dass Gas- und Ölheizungen in den kommenden 20 Jahren etwa dreimal so teuer werden könnten.

Wer mietet, kann selten entscheiden 

„Das Ärgerliche, wenn man zur Miete wohnt, ist, dass man eben nicht selbst entscheiden kann, was mit dem Gebäude passiert. Also, was für eine neue Heizung wird eingebaut? Kommt eine Wärmedämmung ans Dach oder werden die Fenster ausgetauscht?“, findet Malte Bei der Wieden. All diese Entscheidungen liegen beim Vermieter. Natürlich gebe es gering-investive Maßnahmen, die Mieter durchführen können, etwa regelbare Thermostate einzubauen. Aber die einzige Möglichkeit für Mietende, wirklich viel Energie einzusparen, sei es, weniger zu heizen. Auch hier gebe es allerdings Grenzen, weil sonst Schimmel drohe. Menschen frieren zu lassen, sei ebenfalls keine Option. 

Forschende sprechen in diesem Zusammenhang von „Energiearmut“. Das bedeutet, dass grundlegende Energiedienstleistungen wie Heizen, Licht und Strom nicht mehr bezahlt werden können, weil die Energiekosten zu hoch sind und die Energieeffizienz (z.B. Dämmung) der Wohnung nicht ausreicht. Laut dem Statistischen Bundesamt waren 2024 5,3 Millionen Menschen in Deutschland von Energiearmut betroffen. In unsanierten Altbauten verschärfen sich diese Probleme: Gebäude in den beiden schlechtesten Energieeffizienzklassen G und H sind in Deutschland für 50 Prozent des gesamten Energieverbrauchs aller Häuser verantwortlich.

Städte und Kommunen können mitgestalten 

Dass es auch anders gehen kann, zeigt Chemnitz: 2024 wurde die Stadt in Sachsen zur energieeffizientesten Stadt Deutschlands gekürt – und das, obwohl die Mieten hier zu den bundesweit niedrigsten gehören. Grit Stillger ist Stadtplanerin in Chemnitz. Sie erklärt, man sei das Thema frühzeitig aktiv angegangen: Bereits 2012 habe man sich Klimaziele gesetzt, Konzepte erstellt und Allianzen geschmiedet. Dabei galt es, die Gebäudeeigentümer trotz niedrigem Mietspiegel von Sanierungen zu überzeugen. „Die Sanierungsaufwendungen sind bei uns dagegen genauso hoch wie in anderen Städten“, erzählt Stillger. Man könne die Ausgaben also nicht durch die Mieten decken. Gerade in dieser Situation gehe es darum, den Gebäudeeigentümern zu vermitteln, welche Vorteile und Fördermöglichkeiten sie haben. 

Chemnitz Brühl zeigt, wie es gehen kann 

So auch im Stadtteil Brühl. Das Gründerzeitviertel liegt nahe an der Innenstadt, aber rund 80 Prozent der Gebäude standen leer, seit der DDR wurde nicht mehr saniert. „Wir hatten in dem Gebiet teilweise eine Doppelversorgung aus Gas und Fernwärme, das haben wir gemeinsam mit dem Versorgungsunternehmen entflochten“, erzählt Grit Stillger. Mittlerweile habe man das Viertel saniert und an ein künftig CO2-neutrales Fernwärmenetz angeschlossen. Zehn Prozent der Wärme für das Viertel kommen zudem über ein Solarthermiefeld. Auch diese Modernisierungen wurden teilweise auf die Mieter umgelegt, allerdings hätten sich die Belastungen aufgrund des niedrigen Mietniveaus grundsätzlich im Rahmen gehalten, findet Stillger.

Chemnitz Brühl ist mittlerweile ein beliebtes Viertel. Rechte: IMAGO/HärtelPRESS

Die Stadtplanerin betont, damit die Energiewende gelingen kann, brauche es vor allem Klarheit darüber, welche Heizung für das jeweilige Gebäude passt. Im Sommer 2026 werden in Chemnitz und allen anderen deutschen Großstädten die kommunalen Wärmeplanungen veröffentlicht. Damit haben auch die Mieter einer Wohnung zumindest Klarheit darüber, welche Wärmeversorgung für ihr Gebäude infrage kommt.

Allerdings: Die Fristen für den Austausch der Heizungen sind eher großzügig, sogar, wenn die aktuelle Bundesregierung am Heizungsgesetz festhalten sollte. Eine Gas- oder Ölheizung müsste auch dann erst ausgetauscht werden, wenn sie älter als 30 Jahre ist oder irreparabel kaputt. Zögert der Vermieter die Sanierung heraus, kann das für viele Mieter teuer werden. Denn die steigenden Kosten durch den CO2-Preis werden bis dahin zu wesentlichen Teilen von ihnen getragen.

Grit Stillger sagt, sie plädiere dafür, die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung teilweise wieder in Programme fließen zu lassen, die die Belastungen für Mieter abfedern. Immerhin seien das Einnahmen in Milliardenhöhe, auf die Deutschland künftig zurückgreifen könne.

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DIESE WOCHE IN DER KLIMAZEIT

Projekte für eine klimafreundlichere Landwirtschaft werden in der KlimaZeit vorgestellt. Beispielsweise Milchkühe, die beim Liegen Energie erzeugen. 

Freitags, 19:45 auf tagesschau24 und jederzeit auf  tagesschau.de

Termine

  • 25.10. — Demo gegen Waldrodungen am Cospudener See (Leipzig)
  • 27.10. — Voices for Climate: Interdisziplinäre Vorlesungsreihe an der Johannes Gutenberg-Universität (Mainz & Online) 
  • 31.10. — Aktionstag Klima-Welt (bundesweit)
📆 Und noch mehr Klima-Termine finden Sie jederzeit hier.

News

Fledermäuse passen ihren Winterschlaf dem Klimawandel an
Eine neue Studie der Universitäten Greifswald und Münster zeigt: Einige Fledermausarten reagieren spürbar auf den Klimawandel. Über 15 Jahre hinweg haben Forschende zwei Arten beobachtet – mit interessanten Ergebnissen. Die Fransenfledermaus verkürzt inzwischen ihre Winterpause, während die Wasserfledermaus rund einen Monat früher in den Winterschlaf geht als früher. Diese Veränderungen haben direkte Auswirkungen auf den Naturschutz. So muss bei Forstarbeiten beachtet werden, dass die Fransenfledermaus bis in den Dezember hinein aktiv bleibt. Auch der Schutz von Winterquartieren sollte entsprechend angepasst werden. (NDR)
Kein Klimaschutzabkommen für die Schifffahrt 

Die USA haben die Einführung eines internationalen Systems zur CO2-Bepreisung im Schiffsverkehr vorerst verhindert. Auf massiven Druck aus Washington wurde die Abstimmung über eine im April dazu getroffene Vereinbarung der Mitgliedstaaten der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO) auf unbestimmte Zeit verschoben. Das Klimaschutzabkommen galt als wichtiger Schritt im Kampf gegen den Klimawandel - die UNO, die EU und Branchenverbände kritisierten die Verzögerung. Die IMO ist eine Sonderorganisation der UNO. In der britischen Hauptstadt war der Umweltausschuss der Organisation zusammengekommen, um die vorläufige Einigung vom April zu besiegeln. Der Schifffahrtsektor steht für rund drei Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen. Die CO2-Bepreisung sollte dafür sorgen, dass Schiffe verstärkt auf weniger klimaschädliche Kraftstoffe umgerüstet werden.  

Stärkster Meeresspiegel-Anstieg seit 4.000 Jahren

Der weltweite Meeresspiegel ist in der Zeit von 1900 bis 2020 schneller angestiegen als in irgendeinem anderen Zeitraum innerhalb der zurückliegenden 4.000 Jahre. Das geht aus einer in der Fachzeitschrift Nature veröffentlichten Untersuchung von Wissenschaftlern aus den USA, China und Großbritannien hervor, die die Veränderungen des globalen Meeresspiegels während der vergangenen fast 12.000 Jahre betrachtet hat. Der Studie zufolge lag der durchschnittliche Meeresspiegel-Anstieg im Zeitraum von 1990 bis 2020 bei 1,51 Millimeter pro Jahr. Das internationale Forscherteam um Yucheng Lin von der Rutgers University in Piscataway im US-Bundesstaat New Jersey nennt zwei Hauptgründe für den Meeresspiegel-Anstieg. Zum einen erwärmt sich das Wasser in den Ozeanen und dehnt sich aus. Zum anderen fließt durch das Abschmelzen von Gebirgsgletschern und der Eisschilde in Grönland und der Antarktis mehr Wasser in die Ozeane. (MDR WISSEN)

ARD, ZDF und DRadio

Harte Strafe, Schulden, Knast - Klima-Protest am Ende?

Die Klimabewegung "Letzte Generation" fiel durch provokante Aktionen auf. Die aktuelle exactly-Reportage fragt, ob der Staat möglicherweise zu hart war.  👉 ARD Mediathek 

Was ersetzt Schweröl und Diesel? 

2050 soll die Schifffahrt klimaneutral sein. Grünes Methanol und Ammoniak gelten als geeignete Treibstoffe, auch Elektrifizierung und Segel können helfen. 👉 SWR Kultur 

Neuer Klima-Podcast

Der neue Podcast von NDR und MDR heißt wie unser Newsletter und bietet Hintergrundinfos zu aktuellen Klima-Debatten. Die erste Folge kommt am 29.10. 👉 ARD Audiothek 

👋 Zum Schluss

Ein kleiner Tipp von Mieter zu Mieter: Wenn Sie eine Gas-Etagenheizung haben, können Sie übrigens einen Teil des CO2-Preises vom Vermieter zurückfordern. So richtig lohnt sich das erst, wenn Sie einen wirklich hohen Verbrauch haben, aber mit dem Tool des Bundeswirtschaftsministeriums können Sie das einmal durchkalkulieren.

Außerdem erreichte uns folgendes Feedback zu Klima-Update #214. Unter anderem ging es dabei um die Frage, dass fehlender Klimaschutz teurer wird als seine Unterlassung. Oder, dass es ein Scheinargument ist, dass Hamburg allein ja kaum etwas bewegen könne, wie es bei einem verlinkten Bericht hieß. Entsprechend dieser völlig an der Sache vorbeigehenden monokausalen Argumentationskette, „braucht also überhaupt kein Mensch, irgendeiner Stadt irgendetwas zu tun, da der Einfluss einer jeden einzelnen Stadt für sich betrachtet, irrelevant ist“, schreibt Peter Kolbe.

Meike Pudlatz kritisiert am Newsletter unter anderem, dass der Autor nicht darauf eingegangen ist, „dass das vorherige Klimaziel 2045 mit den bislang geplanten Maßnahmen laut Klimabeirat nicht zu schaffen gewesen wäre. Es muss also in jedem Fall mehr getan werden. Der Zukunftsentscheid bietet jetzt mehr Transparenz, Planbarkeit, mehr Ambition und erstmals auch eine gesetzlich verankerte Berücksichtigung sozialer Aspekte.“ Nun müsse ausgelotet werden, was das genau bedeute. „Natürlich besteht die Gefahr, dass nun jede unpopuläre Maßnahme einseitig dem Zukunftsentscheid zugeschrieben wird. Da ist ausgewogene und faire Berichterstattung umso wichtiger.“ Allen Beteiligten sei klar, dass die eigentliche Arbeit jetzt erst beginne.

Volker Kugler wiederum hat einen Hinweis auf eine Ungenauigkeit unsererseits. Das Schmelzen der Meereisflächen führt nicht zu höheren Pegeln. „Nur das Schmelzen des Festland-Eises […] führt zu einer Erhöhung des Meeresspiegels, sonst würde ja auch der Gin Tonic überlaufen, wenn das Eis darin geschmolzen ist.“

Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende 
Inka Zimmermann 

Noch Fragen? Oder Feedback?

Das ARD Klima‑Update ist ein Produkt des ARD‑Kompetenzcenters Klima unter Verantwortung des Mitteldeutschen Rundfunks.

👉 mdr.de/klima


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