Darstellungsprobleme? Im Browser ist's netter.
#202
vom 25. Juli 2025

Was tun? Das komplexe Geflecht 
aus Klima und Natur 

von Kristin Kielon
Hallo zusammen,

ja, der Sommer ist aktuell ziemlich verregnet in Deutschland. Was viele Ferienkinder nervt, ist allerdings für die Pflanzen und das Grundwasser ganz gut. Und ehrlich gesagt, bin ich gerade ganz froh, nicht in der glühenden Hitze Südeuropas schmoren zu müssen. In Griechenland zum Beispiel ist es so heiß, dass schon die Behörden eingreifen mussten: Das Arbeiten im Freien ist dort zeitweise verboten worden. 

Und haben Sie mitbekommen, was gestern schon wieder so früh im Jahr war? Erdüberlastungstag. Das heißt, die Menschheit hat rein rechnerisch alle natürlichen Ressourcen aufgebraucht, die die Erde 2025 bereitstellen kann. Dieser Tag rückt seit Jahrzehnten immer weiter nach vorn. In den vergangenen drei Jahren war er noch einen Tag später, zur Jahrtausendwende sogar erst Mitte September. Werfen wir also diese Woche einen genaueren Blick auf die Zusammenhänge von Klima und Natur - oder besser: die Erdsystemforschung.

MOMENT DER WOCHE

Abkühlung in Nordschweden: Eine Hitzewelle hat unter anderem in der Stadt Luleå in Schwedisch Lappland für Temperaturen von um die 30 Grad bis in die Abendstunden hinein gesorgt. Normalerweise steigt das Thermometer hier auch im Juli - dem wärmsten Monat des Jahres - nur auf etwa 20 Grad Celsius. Die Temperaturen sind so ungewöhnlich, dass der schwedische Zivilschutz eigens Verhaltensregeln für extreme Hitze herausgegeben hat. Rechte: IMAGO / TT

Was tun gegen die Polykrise? Neuer Bericht liefert Lösungsansätze

Es war Ende 2023 im Anschluss an die UN-Klimakonferenz in Dubai, als die Idee aufkam, erzählt Friedrich Bohn vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig. Braucht es mehr Informationen? Eine neue Perspektive, die die Klimaforschung mit den Erkenntnissen aus der Ökologie bzw. der Natur – also wissenschaftlich gesprochen der Biosphäre – ergänzt? Die Antwort des kleinen Teams an Forschenden war, dass eine solche Perspektive zu der Debatte um den Klima- und Naturschutz neue, umfassende und dringend notwendige Lösungswege beisteuern könnte. 

Aus dieser Idee ist eine interdisziplinäre Publikationsreihe entstanden, die Bohn nun gemeinsam mit Erdsystem-Forscherin Ana Bastos von der Universität Leipzig verantwortet. Die erste Publikation wurde jüngst veröffentlicht, die zweite ist ganz frisch im Preprint erschienen. "Das heißt, es dauert mindestens ein halbes Jahr, bis es den regulären wissenschaftlichen Goldstandard, das sogenannte Peer-Review-Verfahren, durchlaufen hat. Die zweite Publikation erwarten wir Ende des Jahres, wenn es richtig gut läuft", sagt Bohn. Geht es nach den beiden Leitautoren, dann darf ab jetzt jedes Jahr ein weiterer Bericht hinzukommen. "Die Motivation ist auf jeden Fall da", meint Bohn. 

Die Lücke zwischen den Berichten

Dabei ist den Forschenden eine umfassende, globale Perspektive wichtig, die nicht nur auf Westeuropa konzentriert ist. Sie haben deshalb für die zweite Publikation auch Forschende von anderen Kontinenten – insbesondere aus dem globalen Süden – mit ins Boot geholt, erzählt Bastos. "Wir haben Autoren aus Südamerika, aus Afrika, aus Asien: Wir haben versucht, Forschende von allen Kontinenten einzubinden." Ihr Kollege Bohn zeigt sich zufrieden damit: "Das hat dieses Jahr viel besser geklappt, weil man uns jetzt kennt." Bei der ersten Veröffentlichung seien die Vorschläge dagegen erst einmal aus dem Netzwerk der Initiatorinnen und Initiatoren gekommen. Acht Themen haben es schließlich in den ersten Bericht geschafft. 
Diese acht Themengebiete werden im ersten Bericht der neuen Reihe betrachtet.
"Ziel dieser Publikation ist, wissenschaftliche Erkenntnisse der letzten drei Jahre etwa zusammenzufassen", erläutert UFZ-Forscher Bohn und macht damit deutlich, wo er eine weitere Lücke sieht: "So wollen wir die Zeit zwischen den Berichten der UN-Institutionen IPCC und IPBES – also den großen Berichten der Wissenschaftscommunity – überbrücken, denn die erscheinen nur alle zehn Jahre. Aber es passiert gerade so viel in der Forschung und es werden so viele gute die Ideen und neue Daten zusammengetragen." Deshalb müssten diese wissenschaftlichen Erkenntnisse schneller bei den Entscheidungsträgern ankommen. Die Publikation setze deshalb auch bewusst nicht auf Vollständigkeit, sondern es sollen jedes Jahr relevante Themen hinzukommen. 

Und auch inhaltlich sehen die beiden Forschenden sich zwischen diesen beiden Berichten. "Es gibt auch in der Zwischenzeit mehrere Berichte über das Klima und die Kohlenstoffbilanz. Aber es fehlt an einer Publikation, die Klimaforschung mit Biodiversitätsforschung verbindet", sagt Bastos. "Das ist aber wichtig, denn die die Entscheidungen, die für den Klimaschutz getroffen werden, haben auch großen Einfluss auf die Biosphäre und deshalb wollen wir auch die Forschung zusammenbringen."

Im ersten Bericht sind bereits vielfältige Themengebiete abgedeckt. Da geht es unter anderem um Küstenökosysteme, um Wälder, es geht um die Speicherung von CO2, die Gestaltung internationaler Vereinbarungen oder das Zusammenleben von Mensch und Natur. 

Am Wald ließe sich auch gut erkennen, wie alles miteinander zusammenhänge, erläutert Bohn. Viele wüssten, dass Wälder CO2 speicherten. "Was aber die meisten Leute nicht wissen, ist, dass fast die Hälfte des Niederschlags, den wir über Land haben, Verdunstung von Pflanzen und vor allem der Wälder ist." Wenn jetzt also weiter Wälder abgeholzt würden, gebe es nicht nur ein CO2-Problem, sondern auch der Wasserkreislauf verändere sich massiv. "Dementsprechend wäre dann die Lösung natürlich, bestehende Wälder zu schützen oder weiter aufzuforsten", so Bohn weiter. Dabei müsse man aber bedenken: "Wenn ich jetzt in trockeneren Gebieten anfange aufzuforsten, weil das durch CO2-Zertifikate attraktiv ist, dann kann es dazu führen, dass ich bestehende Ökosysteme verändere." Denn die schnellwachsenden Arten vertreiben nicht nur ansässige Arten, sondern wurzeln vielleicht auch tiefer, wodurch wiederum der Grundwasserspiegel sinke und sich das Waldbrandrisiko erhöhe, erklärt der Forscher.

Der zweite Bericht beschäftige sich mit der "Poly- oder Erdsystemkrise", sagt Leitautor Bohn. So würden etwa gezielt die vielen Stoffkreisläufe der Erde betrachtet, die alle miteinander verknüpft seien. Die Klimakrise sei letztendlich nur ein Teil davon, den man nicht isoliert betrachten könne. 
Wir müssen uns fragen, wie nicht nur ein ganz spezielles Problem gelöst wird, sondern welche Lösungen ermöglichen gleich bei mehreren Problemen zumindest einen Fortschritt?
Dr. Friedrich Bohn
Deshalb versuchten die Forschenden wirklich interdisziplinär zu arbeiten und bewusst auch sozio-ökonomische Perspektiven einzubinden. "Wir müssen manchmal aus unserer Box rausschauen, um zu sehen, was die Effekte von dem, was wir tun, in anderen Bereichen sind", so Bohn. Der zweite Bericht beschäftige sich inhaltlich deshalb unter anderem mit den Entwicklungen in Trockengebieten, den Zusammenhängen von kriegerischen Konflikten mit der Biosphäre und dem Einfluss demografischer Entwicklungen auf den Erhalt von indigenem Wissen über den Umgang mit der Natur.

Lösungsvorschläge für die Politik

Die Forschenden wenden sich mit ihrer neuen Publikationsreihe bewusst an die Öffentlichkeit, die Entscheiderinnen und Entscheider aus der Politik und der Wirtschaft. "Wir arbeiten daran, dass es einfach schneller geht", bilanziert Bohn. Sein Antrieb: "Uns läuft die Zeit davon. Wir sind nicht schnell genug in unseren Transformationsbemühungen." Deshalb sei es wichtig, all die guten Ideen, die es ja schon gebe, auch mit in die Diskussion aufzunehmen. Dabei gehe es insbesondere um Lösungsvorschläge, die auch gesellschaftlich nachhaltig seien, ergänzt Bastos. 

Der Ansatz ist also ein konstruktiver, erläutert der Leipziger Forscher: "Die vorhandenen Lösungsoptionen müssen aus Sicht unseres Teams besser dargelegt werden." Denn wenn über die Klimaproblematik gesprochen werde, dann gehe es meist um die Ursachen – um Atmosphärenchemie und -physik also. "Wohingegen, wenn wir über die Biosphäre sprechen, also alles Leben auf dem Planeten, dann haben wir da häufig auch Möglichkeiten, nicht nur das Problem zu beschreiben, sondern immer auch eine Lösung mit dazu zu liefern", sagt Bohn. Das Problem sei auch von den Entscheidungsträgern mittlerweile gut verstanden, die Frage sei aber oft, wie Lösungen gefunden würden.
Schnell wachsende Monokulturen speichern auf den ersten Blick viel CO2, doch das ist im Gesamtbild ein Trugschluss. Rechte: IMAGO / imagebroker
Aber wie können die Lösungsansätze schnell und effizient an die Öffentlichkeit und in die Politik kommuniziert werden? Das ist gar nicht so einfach. Ein erster Schritt ist eine eigene Website, sagt Bohn. Die sei aber noch sehr einfach, weil das Team bisher noch keine Gelder für eine aufwändigere Aufbereitung habe. "Das ist einfach nur die intrinsische Motivation aller Beteiligten. Dementsprechend ist auch die Webseite nur durch Goodwill der entsprechenden Leute entstanden, so dass das nur ein allererster Prototyp ist." Künftig soll sich das noch ändern, ergänzt Professorin Bastos: "Wir wollen für die zweite Publikation zum Beispiel auch interaktive Grafiken erstellen und auch über Online-Kurse oder Videos haben wir gesprochen. Aber das braucht Zeit und Manpower und das heißt, wir brauchen eine Förderung. Die Anträge dafür sind auch längst gestellt."

Ihr Leipziger Kollege Bohn schließt sogar mit einem Angebot: "Wenn jemand Interesse hat an einem Vortrag oder Ähnlichem, dann versuchen wir, etwas zu organisieren." Denn der Austausch zwischen der Wissenschaft und der Öffentlichkeit – insbesondere aber den Menschen, die Entscheidungen treffen – sei sehr wertvoll, so Bohn "Dann versteht man viel mehr, was das eigentliche Problem ist und was es für passende Lösungen braucht."
Logo KlimaZeit
DIESE WOCHE IN DER KLIMAZEIT

Hochwasserschutz an der Ahr, Vorbeugung gegen Extremwetter und: IGH-Urteil – Wie sind Staaten zum Klimaschutz verpflichtet?

Freitags, 19:45 auf tagesschau24 und jederzeit auf  tagesschau.de

Termine

  • 6.8. — Online-Seminar: Kleine Oase, große Wirkung – Begrünungsmöglichkeiten für Mieter*innen (Online)
  • 18.8. — Leipziger Forum Klimaanpassung (Leipzig)
  • 29.-30.8. — Online-Tagung: Bilateral - Multilateral - Allen egal? Wer bezahlt Klimaanpassung im Globalen Süden? (Online)
📆 Und noch mehr Klima-Termine finden Sie jederzeit hier.

News

IGH: Völkerrecht verpflichtet Staaten zu Klimaschutz
Der Internationale Gerichtshof (IGH) verlangt von Staaten mehr Einsatz gegen den Klimawandel. In einem Gutachten heißt es, eine "saubere, gesunde und nachhaltige Umwelt" ist ein Menschenrecht. Der Klimawandel sei eine "universelle und ernstzunehmende Bedrohung" für die Weltgemeinschaft. Daraus ergebe sich eine völkerrechtliche Verpflichtung der Staaten, Maßnahmen zu ergreifen, um dessen Voranschreiten einzudämmen. Dafür sei das 1,5-Grad-Ziel aus dem Pariser Klimaabkommen verbindlich. Das Gericht erklärte außerdem, dass Länder, die durch den Klimawandel geschädigt wurden, unter bestimmten Bedingungen Anspruch auf Entschädigung haben könnten. (tagesschau)
Donnernde CO2-Quelle: Wie viele Emissionen erzeugen Blitze?
Forscher der Technischen Universität München haben untersucht, welchen Effekt Blitzschläge auf den Baumbestand und das Klima haben. Weltweit werden laut der Studie jedes Jahr rund 320 Millionen Bäume durch Blitzschläge getötet. Es trifft besonders ältere und große Bäume. Dadurch werden jedes Jahr zwischen 770 und 1.090 Millionen Tonnen CO2 ausgestoßen. Die Blitzschläge vermindern außerdem die Fähigkeit der Vegetation, Kohlenstoff zu speichern. Klimamodelle gehen davon aus, dass im Zuge der Erderhitzung die Zahl der Blitze zunehmen und ihr Effekt aufs Klima steigen wird. (MDR WISSEN)
Erneuerbare Energien 2024 preiswerteste Art der Stromerzeugung
Im vergangenen Jahr lagen die Kosten für Strom aus erneuerbaren Energiequellen deutlich unter denen für Strom aus fossilen Quellen. Das geht aus einem Bericht der Internationalen Agentur für Erneuerbare Energien (Irena) hervor. Demnach sind die Kosten für Solarstrom im Durchschnitt 41 Prozent und für Windenergie an Land 53 Prozent preiswerter als die günstigsten fossilen Optionen gewesen. Bei der Vorstellung des Berichts in New York erklärte UN-Generalsekretär António Guterres deshalb, dass eine neue Ära beginne: "Die Zukunft der sauberen Energie ist kein Versprechen mehr. Sie ist eine Tatsache. Keine Regierung, keine Industrie, kein Sonderinteresse kann sie aufhalten", sagte der 76-jährige Portugiese. Länder, die an fossilen Brennstoffen festhielten, sabotierten ihre eigene Wirtschaft, so Guterres. (SWR)

ARD, ZDF und DRadio

YUMI - Der Südpazifik im globalen Klimakampf

"YUMI" erzählt die Geschichte dreier Jurastudierender aus dem Südpazifik, die sich aufmachen, den Klimawandel vor den Internationalen Gerichtshof zu bringen. 👉 ARD Mediathek

Energiewende in Dänemark – Ein Vorbild?

Laut dem Klimaschutz-Index treibt kein Staat weltweit die Energiewende so gut voran wie Dänemark. Was kann man davon lernen? 👉 ARD Audiothek

Die Reise der Eisbären - Neue Welten

Ein Jahr folgt Eisbären-Scout Dennis den Eisbären, um herauszufinden, wie sie mit der Klimaerwärmung klarkommen. 👉 ARD Mediathek

Klimastreit in der EU – Bröckelt der Green Deal?

Klimaschutz ist in ganz Europa kein Thema mehr, mit dem man Wahlen gewinnen kann. Ist das der Abschied von ambitionierter Klimapolitik der EU? 👉 ARD Audiothek

👋 Zum Schluss

Leider haben die deutschen Spielerinnen ja den Einzug ins Finale der Fußball-Europameisterschaft knapp verpasst, aber das Turnier war hierzulande trotzdem ein Zuschauermagnet. Am Sonntag trifft nun England auf Spanien und es werden wieder zahlreiche Fans anreisen. Grund genug für unsere Kolleginnen und Kollegen von Kemferts Klima-Podcast, sich die Nachhaltigkeitsstrategie der UEFA anzuschauen, die extra für die Frauen-EM entwickelt wurde. Hier geht's zum Podcast: Wie grün ist der europäische Fußball? | MDR.DE

Ein kleiner Spoiler sei erlaubt: Klima-Ökonomin Claudia Kemfert sieht die UEFA zwar auf dem richtigen Weg, es gebe aber noch viel Luft nach oben. Na hoffentlich gilt das nicht auch für die Spannung beim Finale! 

Damit wünsche ich viel Spaß beim Fußballschauen oder auch beim selbst spielen. Und sollte es Sie zum absehbaren Saisonstart auch ins heimische Stadion ziehen: Nehmen Sie doch öfter mal die Öffis oder das Rad - das Klima wird es Ihnen danken.

Herzliche Grüße
Kristin Kielon

Noch Fragen? Oder Feedback?

Das ARD Klima‑Update ist ein Produkt des ARD‑Kompetenzcenters Klima unter Verantwortung des Mitteldeutschen Rundfunks.

👉 mdr.de/klima


Logo des MDR
Kontakt Impressum Datenschutz Abmelden
*