Geplant ist, dass der Wasserstoff an die Endabnehmer über Pipelines verteilt wird. Es soll zunächst ein Kernnetz geben und darüber hinaus einige Teilnetze mit lokalen Versorgern. Aber es hakt – ein klassisches Henne-Ei-Problem: Der Ausbau eines Netzes lohnt sich nur, wenn es ausreichend Abnehmer gibt – aber viele Abnehmer stellen erst auf Wasserstoff um, wenn es ein Netz gibt. „Wenn ich ein Netz baue und nur wenige Kunden habe, wird das relativ teuer“, fasst Wietschel das Problem zusammen.
Der Autohersteller BMW mit Werk in Leipzig gehört zu den Unternehmen, die aktuell schon Wasserstoff verwenden und somit als Abnehmer infrage kommen. Seit 2013 steht hier die erste Indoor-Wasserstofftankstelle Deutschlands. Betankt werden Gabelstapler und andere Maschinen, die in der Fertigung des Werkes fahren. Außerdem wird Wasserstoff in der Lackiererei eingesetzt. „Aktuell ist die einzige Liefermöglichkeit auf einem Cube-Trailer, 40-Tonner, der 200 Kilogramm Wasserstoff bringt“, erklärt Stefan Fenchel, Projektleiter Grünes Werk und Wasserstoffexperte. Ein Lkw mit Wasserstoff kommt alle ein bis zwei Tage. Effizient sei das nicht, aber gerade noch tragbar.
Ausgerechnet den Wasserstoff, der die Klimabilanz ja verbessern soll, per Lkw anzukarren, erscheint ein wenig paradox. Zudem ist der Transport ein wirtschaftlicher Nachteil. „Das Hochverdichten des Wasserstoffes für den Lkw und der Transport auf dem Lkw sind aktuell die größten Preistreiber“, erklärt Fenchel. Pipelinegebundener Wasserstoff ist deutlich günstiger – eine wichtige Vorbedingung, um den Einsatz des Gases künftig zu intensivieren. Denn das ist der Plan: Perspektivisch könnten 10.000 Tonnen CO2 mit dem Einsatz von Wasserstoff eingespart werden. Insgesamt stößt das Leipziger Werk aktuell 35.000 Tonnen CO2 aus. Stefan Fenchel hat sich ein klares Ziel gesteckt: „Wir wollen die erste Autofabrik der Welt werden, die eine Wasserstoffversorgungsleitung hat“, betont er.
Lange sah es auch so aus, als könnte dieses Ziel bald erreicht werden, nun ist mit EnviaM einer der Projektpartner aus dem mitteldeutschen Vorzeige-Projekt „Green Bridge“ ausgestiegen. Das betrifft auch die Anbindung von BMW. Hinter dem Ausstieg dürften Zweifel an der Wirtschaftlichkeit des Wasserstoffnetzes stecken. „Im Hinblick auf die allgemeinen Bedingungen am Markt rechnet sich Wasserstoff aktuell nicht. Da bräuchte es entweder sehr günstige Wasserstoffpreise oder sehr hohe CO2-Preise in Verbindung mit niedrigen Strompreisen. Beides haben wir aktuell nicht“, erklärt Martin Wietschel. Natürlich gibt es entsprechende Förderungen, aber: Der Einstieg in die Wasserstoffwirtschaft erfordert, positiv ausgedrückt, unternehmerischen Mut.
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