Germanwatch-Experte Voß hat Mandarin gelernt, lebte in China und ist noch heute regelmäßig vor Ort, um sich mit Akteuren auszutauschen. "Der Diskurs um das Klima ist in China auf jeden Fall etwas anders als in Deutschland", erzählt er. "Das liegt schon allein daran, dass China die öffentliche Meinungsäußerung beschränkt. Kritik am Vorgehen der Regierung wird zensiert." Das Thema sei auch in China ein Politikum, so Voß. Die Staatsführung hat vor allem das wirtschaftliche Potenzial erkannt. Und nicht zuletzt wird das Thema auch international wohlwollend aufgenommen. "Im ganz eigenen Interesse engagiert sich die chinesische Regierung international, um sich als Vorreiter in Sachen Klimaschutz zu präsentieren", bilanziert Voß.
Doch zur Wahrheit gehört auch, dass die chinesischen Emissionen noch im vergangenen Jahr weiter angestiegen sind, die Netto-Null ist in weiter Ferne. Bis 2060 will China dieses Ziel erreichen. Ein erster Meilenstein könnte aber bereits erreicht sein: Im ersten Quartal dieses Jahres ließ sich zum ersten Mal ein Rückgang der CO2-Emissionen verzeichnen, der nicht konjunkturell bedingt war. Der Ausstoß sank im Vergleich zum Vorjahresquartal um 1,6 Prozent, wie Lauri Myllyvirta, Analyst am Forschungszentrum für Energie und saubere Luft (Crea) aus Finnland, mitteilte. Grund dafür sei der anhaltende Ausbau der erneuerbaren Energien. Fachleute hatten den Peak für dieses Jahr erwartet: "Es könnte tatsächlich sein, dass wir jetzt an diesem Gipfel der Emissionen in China angelangt sind", sagt Germanwatch-Experte Voß. Das wäre immerhin deutlich vor der angepeilten Marke: Bis 2030 sollte der Scheitelpunkt erreicht sein. Dieses Jahr könnte China außerdem erstmals konkrete Reduktionsziele bei den Vereinten Nationen einreichen, glaubt Voß. "Verschriftlicht und höchst offiziell an die UN eingereicht. Das gab es bisher noch nie. Wichtig ist, dass dieses Ziel auch hoch ausfällt. Es gibt Berechnungen, die zeigen, dass 30 Prozent bis 2035 möglich wären."
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