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#191
vom 9. Mai 2025

Parkplätze, Lärmschutzwände und Co.: Neue Flächen für Photovoltaik

von Clemens Haug
Hallo miteinander,

ehrlich, ich wollte mir eigentlich nicht schon gute Nachrichten für diesen Newsletter herauspicken. Ist doch unglaubwürdig, angesichts des ganzen politischen Chaos, dachte ich. Aber ich beschäftige mich nun mal mit Erneuerbaren und was soll ich sagen: Nachdem ich Ihnen zuletzt vom bevorstehenden Durchbruch von Batteriespeichern erzählt habe, kann ich Ihnen diese Woche zeigen, dass sich plötzlich die Flächen für die Photovoltaik nahezu verdoppeln, ganz ohne, dass wir dafür Natur, Ackerland oder andere wertvolle Flächen opfern müssten.

Aber von vorn: Mitte Februar schrieb uns Herr Zehe eine freundliche Lesermail. Ob wir uns denn nicht mal mit der Möglichkeit beschäftigen könnten, große PV-Anlagen über bereits versiegelten Flächen zu errichten. Sprich: Solarzellen als Bedachung großer Parkplätze. Da könne man doch den "auf dem Parkplatz erzeugten Solarstrom für E-Fahrzeuge nutzen. Und die Fahrzeuge stehen im Sommer im Schatten und im Winter bleiben sie frei von Schnee."

Die Idee ist so einleuchtend, man könnte sie einen echten "No-Brainer" nennen. Im Urlaub in Frankreich habe ich solche Strom erzeugenden Parkplatzdächer bereits vielfach gesehen. Bei der Recherche zeigte sich dann: Es gibt sie auch schon hier in Deutschland. In manchen Bundesländern ist ihr Bau sogar vorgeschrieben, wenn Parkplätze bestimmter Größe errichtet werden. Die Kombination mit dem E-Auto-Laden hat ein paar Haken, aber ansonsten steht hier sehr viel Fläche zur Verfügung, die bald ein neues Dach bekommen könnte.

MOMENT DER WOCHE

Windströme und Wassertemperaturen, dargestellt auf der Webseite earth.nullschschool.net, die der Softwareentwickler Cameron Beccario in seiner Freizeit erstellt hat. Beccarios Seite bezieht im Hintergrund Daten verschiedener Erdbeobachtungssystem, darunter vom europäischen Copernicus Klimadienst und stellt so die aktuellen Wetterbedingungen in nahezu Echtzeit dar. Rechte: C.Beccario

Strom erzeugen und Regen abhalten: Solardächer über Parkplätzen kommen

Martin Heinrich ist in einer bemerkenswerten seltenen Lage: Er sieht einfach keinen Verbesserungsbedarf. Weder müssten Regeln vereinfacht werden, noch bedürfe es weiterer Fördermittel, um Heinrichs zentrales Thema voranzutreiben. Der Forscher vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) beschäftigt sich seit rund zehn Jahren mit potenziellen Flächen für Photovoltaik jenseits von Gebäudedächern. Und er glaubt: Dächer aus PV-Modulen über Parkplätzen und anderen Verkehrsflächen werden kommen, einfach, weil es sich lohnt.

Solarenergie ist auf dem Weg, die Energieversorgung der Welt zu revolutionieren. Zuerst hat das erste Erneuerbare-Energien-Gesetz der rot-grünen Bundesregierung aus dem Jahr 2000 dabei geholfen, die Massenfertigung hochzufahren. Dann haben chinesische Hersteller die Kosten für Module konsequent optimiert. „Seit zehn, fünfzehn Jahren sind sie nun so günstig, dass wir überlegen konnten: Wo könnte man sie denn noch hinbauen, jenseits irgendwelcher Dachflächen?“
Strom erzeugende Lärmschutzwand: Auch diese Flächen lassen sich für Photovoltaik nutzen. Rechte: R. Kohlhauer GmbH

Hauptproblem: Die Tragwerkskonstruktion ist teurer

„Integrierte Photovoltaik“ heißt das Fachgebiet von Martin Heinrich. Neben den erwähnten Dächern für Parkplätze geht es hier auch um Fassaden, Lärmschutzwände oder Solarzellen auf Fahrzeugen selbst. Als Erste hätten viele Industriebetriebe das Thema für sich entdeckt. Denn die Dächer ihrer Leichtbauhallen können das Gewicht einer zusätzlichen Solaranlage oft nicht tragen. „Also haben sie geschaut, wir haben ja noch viele Parkplatzflächen, dann können wir die ja nutzen.“ Dabei ging es nicht darum, etwas Gutes für die Umwelt zu tun. Sondern günstigen Strom zu erzeugen.
Mitarbeiterparkplatz einer Firma in Frankreich: Hier bleibt es in abgestellten Autos schön kühl. Rechte: Imago/Andia
Noch sieht man nicht allzu viele Parkplätze mit Solardächern in Deutschland. „Es könnte deutlich mehr sein“, findet auch Heinrich. Problematisch sind vor allem etwas höhere Kosten, denn ein Solardach über einem Parkplatz ist etwa 50 Prozent teurer als eine klassische Dachanlage. Grund ist die Unterkonstruktion. Während man die Module auf Dächern einfach anbringen kann, müssen über Parkplätzen eigene Träger errichtet werden.

PV-Dächer für Parkplätze kommen auch ohne Pflicht

Trotzdem kommen PV-Überdachungen. In zahlreichen Bundesländern gibt es inzwischen sogar die Pflicht, Parkplätze mit solchen Dächern auszustatten, meist ab einer bestimmten Größe oder wenn sich die Flächen in öffentlichem Eigentum befinden – immer vorausgesetzt, dass die Parkplätze nicht zu schattig sind oder nicht zu wirtschaftlich vertretbaren Kosten an das Stromnetz angeschlossen werden können. Während in den alten Ländern nur Bayern, Bremen und das Saarland auf entsprechende Regeln verzichten, hat sich in den neuen Bundesländern nur Brandenburg für eine solche Verordnung entschieden. Allerdings: Selbst dort, wo es keine Pflicht gibt, werden Solarparkplätze gebaut.
Parkplatz der Firma Mosolf in Rackwitz bei Leipzig: Die Solarpanele erzeugen Strom und schützen die Neuwagen vor dem Wetter. Rechte: dpa/Sebastian Wilnow
In Sachsen etwa hat das Automobil-Logistikunternehmen Mosolf das Gute mit dem Nützlichen verknüpft. In Rackwitz bei Leipzig ließ die Firma neun Hektar Parkplatz mit 35.000 PV-Modulen überdachen. Darunter parken nun auf Auslieferung wartende Neuwagen, geschützt vor Wind und Wetter. Und scheint die Sonne, können die Module in der Spitze bis zu 16 Megawatt Strom erzeugen. Das würde rechnerisch ausreichen, um etwa 36.000 Haushalte zu versorgen.
Man möchte ja jedes Mal laden, wenn man an eine Ladesäule fährt, nicht nur wenn die Sonne scheint.
Dr. Martin Heinrich
An der nahe gelegenen Leipziger Messe plant die Stadt aktuell ein ähnliches Projekt, nur etwas kleiner. Auf dem Park-an-Ride-Platz sollen 352 der insgesamt 1.000 Parkplätze mit PV-Modulen überdacht werden. Die Anlage wird in der Spitze bis zu einem Megawatt Strom erzeugen können, der direkt vor Ort für das Laden von Elektroautos nutzbar sein soll. Im Lauf von 20 Jahren soll sich die Investition rechnen und am Ende sogar einen Gewinn für die kommunalen Finanzen abwerfen.
Neuer Bahnhof in Merklingen auf der Schwäbischen Alp: Auch dort können Pendler ihre parkenden E-Autos mit dem Strom vom Solardach aufladen, während sie selbst mit dem Zug nach Stuttgart oder Ulm fahren. Rechte: Imago/Arnulf Hettrich

Die Kombination mit Ladesäulen erscheint zwar auf den ersten Blick logisch, hat nach Ansicht von Martin Heinrich aber einige Haken. „Man möchte ja jedes Mal laden, wenn man an eine Ladesäule fährt, nicht nur wenn die Sonne scheint.“ Hinzu kommt, dass Kunden beim Einkauf im Supermarkt nur wenige Minuten an der Säule stehen. Entsprechend hoch muss die Ladeleistung sein, damit die Fahrzeuge schnell genug geladen werden können. Die Leistung eines Solardachs reicht da meist nicht aus, vor allem nicht in den Abendstunden, wenn der Andrang am größten ist. Es bräuchte hier also die Kombination mit leistungsfähigen Stromspeichern, was die Kosten für die Investition steigert. Hier könnten Fördermittel ausnahmsweise sinnvoll sein, sagt Heinrich.

E-Ladesäulen mit eher symbolischem Solardach auf dem Rastplatz am Hermsdorfer Kreuz in Thüringen. Rechte: Imago/Action Pictures

Bei Firmenparkplätzen sieht die Sache anders aus, denn im Verlauf eines sonnigen Arbeitstags lässt sich eine Menge Solarstrom in die Autos der Mitarbeitenden laden. Und regnet es, kommen die Angestellten oder Supermarktkunden trockenen Fußes vom Auto ins Innere.

Solardächer über allen Verkehrswegen: Potenziell 300 Gigawatt

Heinrich und Kollegen haben vor einigen Jahren ausgerechnet, dass Solaranlagen über allen deutschen Parkplätzen insgesamt rund 60 Gigawatt Strom erzeugen könnten. Zum Vergleich: Derzeit sind in Deutschland Anlagen im Betrieb, die in der Spitze bis zu 70 Gigawatt erzeugen können. Allein die Parkplätze zu überdachen, würde den PV-Stromanteil also nahezu verdoppeln.
Und das Potenzial ist eigentlich noch viel größer. Denn auch Straßen, Radwege, Schienen und so weiter lassen sich mit Solarmodulen überspannen, wenn die Konstruktionen ausreichend unfallsicher sind. Rund fünf Prozent der Flächen in Deutschland sind Verkehrswege. Alle mit PV Modulen zu überdachen, könnte die gesamte Solarstromleistung auf über 300 Gigawatt steigern, haben Martin Heinrich und Kollegen errechnet.
Versuchs-Solardach über der Ausfahrt der Raststätte „Im Hegau Ost“: An Autobahnen muss das Tragweg so konstruiert sein, dass das Solardach bei einem Unfall mit Fahrzeugen nicht abstürzen kann. Rechte: dpa/Silas Stein
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Insgesamt 100 Städte in Europa wollen bis 2030 die ersten klimaneutralen und smarten Städte auf dem Kontinent sein. Die Europäische Union hat dafür das Förderprogramm "Mission for Climate-Neutral and Smart Cities" aufgesetzt, das Maßnahmen im Bereich Verkehr, Energieeffizienz und Stadtplanung finanziert. 30 Kommunen aus Deutschland haben sich um die Teilnahme beworben. Aufgenommen wurden Mannheim, Heidelberg, Aachen und Münster. Am vergangenen Mittwoch kamen noch Leipzig und Dresden dazu. Mit der Teilnahme ist der Zugang zu Investitionsmitteln von bis zu 2 Milliarden Euro verbunden. Die teilnehmenden Städte sollen so zu Pilotprojekten werden, die später anderen Kommunen den Weg weisen.

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Was ist besser für das Klima: Den alten Kühlschrank weiterbetreiben, bis er defekt ist, oder frühzeitig ein neues, energieeffizientes Gerät anschaffen? Das Ökoinstitut hat eine neue Übersicht erstellt, ab welchem Jahresverbrauch ein Austausch von Haushaltsgeräten sinnvoll ist. So lohne sich der Tausch eines alten Kühlschranks für das Klima, wenn er mehr als 240 Kilowattstunden Strom pro Jahr verbraucht. Und wenn er sogar mehr als 355 Kilowattstunden benötigt, sparen Verbraucher mit einer Neuanschaffung trotz der Investitionskosten Geld. Bei Kühl- und Gefrierschrankkombination sind die Werte dagegen höher. 

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Was kann Europas neuer Erdbeobachtungssatellit "Biomass"? 👉 Deutschlandfunk Nova

Kommunen erhalten Millionen aus Windkraft

Niedersachsens Kommunen können dank des neuen Beteiligungsgesetzes mit zusätzlichen Millionen aus der Windkraft rechnen. 👉 NDR

👋 Zum Schluss

Haben Sie bereits die Webseite "earth :: a global map of wind, weather, and ocean conditions" geöffnet, die ich Ihnen oben empfohlen habe? Ich gebe zu, ich spiele seit Tagen damit. Wenn Sie unten links das Menü aufklicken, können sie dort zum Beispiel bei "mode" auf "chem" klicken und können so die Verteilung bestimmter Gase sehen. Klicken Sie SO2 an, sehen Sie die Verteilung von Schwefeloxid, ein Hinweis auf die Verbrennung fossiler Energieträger, da in Kohle, aber auch in Öl oft kleine Mengen Schwefel enthalten sind. Schauen Sie jetzt die Weltkarte an, können Sie die großen Industriegebiete der Welt erkennen (China!), aber auch globale Schifffahrtsrouten. Und wenn Sie gleichzeitig die Windströmungen anschalten, sehen Sie, wohin die Abgase getragen werden. Spannend! Das alles sind laut dem Entwickler übrigens nahezu Echtzeitdaten, die aus verschiedenen Systemen zur Erdbeobachtung stammen. Famos!

Herzliche Grüße
Clemens Haug

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