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#190
vom 2. Mai 2025

Gut gealtert: So zutreffend waren
frühe Klimaprojektionen

von Kristin Kielon
Hallo zusammen,

und herzlich Willkommen beim ARD Klima-Update. Mir wird heute die große Ehre zuteil, das Upgrade unseres Newsletters zum ARD-Format zu präsentieren. Wir haben uns ein paar Neuerungen überlegt, aber keine Sorge, Altbewährtes bleibt natürlich, wie es ist. Wir beschäftigen uns auch weiterhin mit einem Thema der Woche intensiver und behalten unseren konstruktiven Ansatz.

Das gilt auch für unser heutiges Thema! Denn auf den ersten Blick könnte man etwas bedrückt auf die Erkenntnis schauen, dass frühe Klimaprojektionen die tatsächliche Entwicklung ziemlich treffend vorhergesagt haben. Der Blick auf aktuelle Projektionen ist mit diesem Wissen ziemlich beunruhigend. Allerdings: Die Beobachtungen belegen auch den Einfluss des Menschen und das bedeutet ja wiederum, dass wir die Zukunft tatsächlich in der Hand haben. Ja genau, das ist mal wieder ein Call to Action - denn den kann man nicht oft genug wiederholen.

MOMENT DER WOCHE

Hohe Brandgefahr schon Ende April: Die Feuerwehr musste bei einem Brand im Harz bei Sorge bereits ein Löschflugzeug einsetzen. Der Kreisbrandmeister schaut besorgt auf die bevorstehende Waldbrandsaison. Rechte: picture alliance/dpa | Matthias Bein

Klimamodellierung: Schon frühe Projektionen waren erstaunlich präzise

Welchen Einfluss Kohlenstoffdioxid auf das Klima hat, ist lange bekannt. Schon der schwedische Physiker und Nobelpreisträger Svante Arrhenius prognostizierte um 1900, wie sich die Erde durch CO2 erwärmen würde. Zuvor hatte bereits der Begründer des Physikalischen Instituts an der Universität Leipzig, Heinrich Wilhelm Brandes, belegt, dass sich Wetter und Klimageschehen in lösbaren Gleichungen ausdrücken lassen, erzählt Johannes Quaas, der ebendort heute Professor für Theoretische Meteorologie ist.
 
Doch erst mit dem Aufkommen der Computertechnologie begannen Forschende Klimamodelle zu entwickeln, die die atmosphärischen Bedingungen auf dem Planeten simulieren konnten. "Klimamodelle, wie wir sie heute verwenden, hatten ihre Anfänge in den 70er Jahren", erklärt Christian Steger, Leiter der Abteilung für Klimaprojektionen beim Deutschen Wetterdienst. Erst 2021 sei der Physik-Nobelpreis dafür an Klaus Hasselmann und Syukuro Manabe verliehen worden, so Steger. "Mittlerweile gibt es weltweit etwa 25 Gruppen, die globale Klimamodelle entwickeln und betreiben." Und damit lassen sich Vorhersagen über die zukünftige Entwicklung des Klimas treffen.

"Das Klimasystem ist ein sehr komplexes System, das aus verschiedenen Komponenten besteht wie Atmosphäre, Ozean, Landoberfläche, Eisschilde, vieles andere mehr. Die folgen physikalischen Gesetzen und können mit physikalischen Gleichungen beschrieben werden", so Steger. Und im Klimamodell würden die einfach in Programmiersprache für den Computer übersetzt, damit der das Ganze mit verschiedenen Rahmenbedingungen durchrechnen kann – unter anderem zu Emissionen, Landnutzung oder Bevölkerungsentwicklung.

So entstehen dann mehrere sogenannte Szenarien, erklärt Klimaforscher Jakob Zscheischler vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ). "Das sind keine eindeutigen Vorhersagen, sondern die Szenarien basieren auf Annahmen, die wir über die Zukunft machen." Ein Klimamodell sei also letztendlich eine Art digitaler Zwilling des Klimasystems, sagt Thomas Jung, Experte für Klimamodellierung am Alfred-Wegener-Institut. "Ein Zwilling, den wir im Computer gebaut haben und der im Prinzip einen Großteil der wesentlichen Prozesse, die für das Klima entscheidend sind, abbildet und Naturgesetze und Gesetze der Physik anwendet."

Physikalische Grundlagen unverändert

Aber wie gut waren die ersten Projektionen? "Erstaunlicherweise waren diese ersten Modelle, zumindest was die globale Temperatur angeht, sehr gut", sagt DWD-Experte Steger. Die Realität gibt den Modellierern der ersten Jahre Recht: Die Temperatur sei nahe an dem gewesen, was seitdem gemessen wurde, so Steger. "Betrachten wir die globale oberflächennahe Temperatur, dann sieht man, dass das Szenario 'Business as usual' bzw. pessimistische Szenarien weitgehend das waren, was tatsächlich eingetroffen ist", sagt der Leipziger Quaas. Es gebe leichte Abweichungen, aber im Wesentlichen seien die Vorhersagen korrekt gewesen. "Das ist schon erstaunlich", lautet auch die Einschätzung von AWI-Experte Jung.

Dass Projektion und Observation gut zusammenpassen, ist nicht nur eine Beobachtung der Klimaforscher. Es gibt auch mehrere Studien dazu. Eine Analyse eines Forschungsteams unter Leitung von Zeke Hausfather von der University of California, Berkeley, die im Fachmagazin Geophysical Research Letters erschienen ist, zeigt, dass die meisten Modelle ziemlich zutreffende Vorhersagen getroffen haben. Die Forschenden haben die Projektionen von 17 Modellen, die zwischen 1970 und 2007 entwickelt wurden, mit den tatsächlichen Messungen der globalen Temperatur verglichen. Das Ergebnis: 14 Modelle stimmten teils eng mit der Beobachtung überein. Hinweise darauf, dass die Klimamodelle die Erwärmung im Projektionszeitraum systematisch über- oder unterschätzt hätten, fanden die Forschenden keine. 
DWD-Experte Steger überrascht dieses Analyseergebnis nicht. "Die physikalischen Zusammenhänge wurden schon zu dieser Zeit gut genug dargestellt, um den grundsätzlichen Temperaturanstieg zu prognostizieren", sagt er. Ähnlich sieht es auch die Klimaforscherin mit Schwerpunkt Klimamodellierung von der Universität Hamburg, Johanna Baehr. Sie sagt, insbesondere die Berechnung, wie sich die globale Temperatur in Abhängigkeit der Emissionen verändert, sei eine einfache. "Die Rechnung für den menschgemachten Klimawandel, passt auf einen Bierdeckel", sagt Modelliererin Baehr. "In der Frage, wie gut wir die global gemittelte Temperatur abbilden können, dazu gab es in den letzten 50 Jahren keine signifikanten Fortschritte." Die Unsicherheiten lägen in diesem Punkt nicht bei den Klimamodellen, sondern bei der Frage, wie sich die Treibhausgasemissionen künftig entwickelten.
Die Rechnung, die zeigt, dass der Klimawandel menschgemacht ist, passt auf einen Bierdeckel.
Prof. Dr. Johanna Baehr, Universität Hamburg
"Ich finde das schon ziemlich beeindruckend", erklärt UFZ-Forscher Zscheischler mit Blick auf den Abgleich der frühen Projektionen mit der Realität. Auch deshalb, weil Klimaskeptiker immer behaupteten, die Modelle seien schlecht und unzureichend. "Man kann aber schon ziemlich genau zeigen, dass auch die ersten Modelle schon relativ gut waren, weil es physikalische Zusammenhänge sind, die wir gut verstehen."

Die Unsicherheiten bestünden eher bei der Frage, wie genau sich der Klimawandel wann und wo auswirken wird, ergänzt die Hamburgerin Baehr. "Da besteht tatsächlich auch zwischen verschiedenen Modellen teilweise eine Diskrepanz." Deshalb versuchten moderne Modelle das Geschehen engmaschiger darzustellen – auf der Ebene nur weniger Kilometer. "Um auch den Unterschied zwischen Pinneberg und Bergedorf um Hamburg simulieren zu können und nicht nur den Unterschied zwischen Hamburg und München."
Starkregen in Leipzig: Wann es wo zu Extremwetterereignissen kommt, lässt sich mit Klimamodellen bis heute nur schwer vorhersagen. Rechte: MDR

Komplexe Modelle stellen Klimaforscher vor Herausforderungen

Bis heute haben sich die Klimamodelle immer weiterentwickelt, immer mehr Aspekte des Erdsystems fließen in die Berechnungen ein. Das Ergebnis sind hoch komplexe Anwendungen, die auf Supercomputern laufen müssen und deshalb noch immer viele Ressourcen brauchen.

Der UFZ-Klimaforscher Zscheischler weist jedoch auf einen Effekt hin, mit dem die Modellierer immer mehr zu kämpfen haben. Denn wenn man tief einsteige in die Modelle und diese Ergebnisse auf regionaler Ebene mit den Beobachtungen vergleiche, dann gebe es immer wieder beobachtete Veränderungen, die Modelle entweder gar nicht oder verzerrt abbildeten. "Und das ist im Moment eine offene Frage, inwieweit wir jetzt die Modelle entwickeln oder vielleicht auch unsere Theorie und wie wir über die Welt nachdenken ein bisschen revidieren müssen."

Auch AWI-Experte Jung verweist auf die Herausforderungen für heutige Modelle. Die grundsätzliche Physik des Wandels der globalen Mitteltemperatur sei noch relativ einfach. Schwieriger sei es dagegen, darzustellen, was der Klimawandel für Extremereignisse bedeute. "Da kommt dann deutlich mehr dazu: die Zirkulation, Stürme, Hitzewellen, der Boden und die Flüsse fangen an, eine Rolle zu spielen. Dann wird das Ganze viel komplexer." Aber Klimamodelle könnten ohnehin nicht perfekt sein und an vielen Stellen nur Wahrscheinlichkeiten ausspucken, sagt Klimaforscherin Baehr. "An manchen Stellen fehlt uns weiterhin das physikalische Verständnis", ergänzt sie und verweist etwa auf die Faktoren Wolken und Bodenfeuchte. "Wie setzt man dieses Zusammenspiel dann so um, dass ein Computer das ausrechnen kann?"

Modelle, die an Grenzen geraten, mögliche Fehler und Chaos im System: Bei allen Problemen, mit denen die Modellierer heute zu kämpfen haben, lohnt sich der Blick zurück auf die zutreffenden frühen Ergebnisse, meint AWI-Forscher Jung. "Das stärkt unser Vertrauen in Klimamodelle und zeigt: Wir Menschen müssen etwas tun."
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DIESE WOCHE IN DER KLIMAZEIT

Globale Wasserkrise durch den Klimawandel, soziale Kipppunkte und: Ein Jahr Klimaurteil - Schweizer Klimaseniorinnen machen weiter.

Freitags, 19:45 auf tagesschau24 und jederzeit auf  tagesschau.de

Termine

  • 3.5. — Stadtspaziergang mit Spaziergangs-wissenschaftler Bertram Weisshaar  (Leipzig)
  • 5.-7.5. — Berliner Energietage (Online)
  • 6.-9.5. — Messe Intersolar Europe (München)
📆 Und noch mehr Klima-Termine finden Sie jederzeit hier.

News

Klimawandel sorgt für mehr "Feuerwetter" 
In vielen Regionen der Erde nehmen Witterungsbedingungen zu, durch die Brände sich leichter ausbreiten. Die Saisons solcher "Feuerwetter" überschneiden sich einer Studie unter Beteiligung des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung zufolge zunehmend - unter anderem in Nordamerika und Australien. Die höchste Wahrscheinlichkeit für eine Überschneidung liege hier mit etwa 75 Prozent zwischen Juli und Dezember. (MDR WISSEN)
US-Regierung entlässt alle Klimabericht-Autoren
Das "National Climate Assessment" soll die Bundes- und Lokalregierungen in den USA auf die Folgen des Klimawandels vorbereiten. Doch nun steht der Bericht möglicherweise vor dem Aus. Wie die New York Times und die Nachrichtenagentur Reuters berichten, hat die Trump-Regierung alle an der Studie beteiligten Forschenden entlassen. Die fast 400 Mitwirkenden an der Klimastudie, die eigentlich 2028 veröffentlicht werden sollte, seien per E-Mail über ihre Entbindung informiert worden. (MDR WISSEN)
Bahn verdrängt Flugzeug auf innerdeutschen Langstrecken
Auf Inlandsreisen nutzen die Menschen auch auf längeren Strecken zunehmend die Bahn. Eine Analyse des Mobilfunkanbieters O2 Telefónica zeigt mithilfe anonymisierter Nutzungsdaten, dass insbesondere auf vielen Verbindungen zwischen Großstädten die Bahn das beliebteste Verkehrsmittel ist. Vor allem für Reisen von und nach Berlin wird demnach der Zug genutzt. Auf der Strecke Berlin - München etwa wählten rund 77 Prozent der Reisenden die Bahn, nur drei Prozent das Flugzeug und die restlichen 20 Prozent das Auto oder den Bus. (O2 Telefónica)

ARD, ZDF und DRadio

Mission Klima: Wie Paris die Autos aus der Stadt drängt

Die aktuelle Folge des Podcasts "Mission Klima" beschäftigt sich mit der Verkehrswende in Paris. Was hat sich verändert, seit die meisten Autos aus dem Zentrum der Stadt verschwunden sind? 👉 ARD Audiothek

Terra Xpress: Ausgetrocknet

Im Osten Deutschlands trocknen sie aus, Baggerseen sind biologisch tot und in den Alpen droht den Gletscherseen zu viel Wasser. Sind unsere Seen überhaupt noch zu retten? 👉 ARD Mediathek

Wenn der Klimawandel auf Körper und Seele drückt

Christina Berndt hat sich als Journalistin mit dem Klimawandel auseinandergesetzt. Und sie kennt Strategien gegen Hitzestress, neue Krankheiten und seelische Belastungen. Das Gespräch mit SWR1 in der 👉 ARD Audiothek

👋 Zum Schluss

Damit ist das erste ARD Klima-Update - und Nummer 190 aller Ausgaben - auch schon wieder zu Ende. Vielen Dank, dass Sie dabei waren und sind. Wie hat Ihnen dieser aufgefrischte Newsletter gefallen? Schicken Sie uns gern Ihr Feedback! Und empfehlen Sie uns gern weiter - jetzt auch bundesweit.

Einen kleinen Tipp habe ich noch, für den Fall, dass Ihnen das heute für Anfang Mai (zu Recht!) viel zu warm ist oder der Kater vom Tanz in den Mai einfach nicht weggehen will: Die britische Klimaprotest-Gruppe "Just stop oil" hat zum letzten Mal in London demonstriert. Das sind die, die Suppe auf berühmte Kunstwerke geworfen haben, Sie werden sich daran erinnern. Eine Gruppe also, die neue, radikale Formen des Klimaprotests etabliert hat. Damit beschäftigen sich die Filme in diesem Dossier bei ARTE aus verschiedenen Blickwinkeln. Das ist doch mal wirklich gutes Fernsehen.

Und falls Sie sich doch in die Wärme wagen: Sonnencreme nicht vergessen! Mit der kommenden Woche wird es vielerorts wieder etwas kühler.

Beste Grüße,
Kristin Kielon

Noch Fragen? Oder Feedback?

Das ARD Klima‑Update ist ein Produkt des ARD‑Kompetenzcenters Klima unter Verantwortung des Mitteldeutschen Rundfunks.

👉 mdr.de/klima


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