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#183
vom 14. März 2025

And the Oscar goes to….

von Katharina Wilhelm
…nein, keine Sorge Sie haben sich nicht im Newsletter geirrt!
 
Es geht hier tatsächlich ums Klima, versprochen. Aber dieses Mal auch um Filme, besser gesagt die Filmindustrie in Hollywood.  Zu den Oscarverleihungen wird ja auch gern diskutiert: bilden die Filme eigentlich irgendwas von der Realität ab?

Fünf Jahre lang habe ich als ARD-Korrespondentin aus Los Angeles berichtet, über die Golden Globes, die Oscars, die Promis … Aber auch über den Klimawandel, den man gerade in Kalifornien in Form von Extremwetterereignissen vor der Tür hat: mit Dürren, Waldbränden, Fluten.

Gerade erst im Januar sorgten Waldbrände in Los Angeles für sehr dramatische Bilder, die man sonst vor allem aus Katastrophenfilmen kennt. Aber wie viele Katastrophenfilme gibt es eigentlich über die Erderwärmung? Wenn Sie jetzt überlegen müssen, dann sind sie nicht allein. Denn es lässt sich feststellen: Hollywood lässt der Klimawandel ziemlich kalt. Warum eigentlich? 

ZAHL DER WOCHE

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… Unternehmen stoßen weltweit die Hälfte der Treibhausgase aus, so eine Analyse des britischen Thinktanks „Influence Map“. Kaum überraschend dürfte sein, dass sich Ölkonzerne auf den vordersten Plätzen befinden.  Für 17 Prozent der Treibhausgase weltweit sind fünf Staatskonzerne verantwortlich: Saudi Aramco, Coal India, CHN Energy, Jinneng Group und National Iranian Oil Co.

(Eher nicht so) Preisverdächtig? Wie die Filmindustrie den Klimawandel ignoriert

„Armageddon“, „Independence Day“, „2012“ – Weltuntergangsszenarien haben mit dem Genre Katastrophenfilm einen festen Platz vor allem in Hollywood. Es ist rund 20 Jahre her, da war der Klimawandel tatsächlich mit zwei US-amerikanischen Filmen präsent: „Eine unbequeme Wahrheit“, ein Dokumentarfilm von Davis Guggenheim und dem ehemaligen demokratischen Präsidentschaftskandidaten Al Gore, der fast schon schulischen, aufklärerischen Charakter hatte und der 2007 mit einem Oscar ausgezeichnet wurde. 
Drei Jahre zuvor kam mit „The Day After Tomorrow“ ein Katastrophenfilm des deutschen Regisseurs Roland Emmerich in die Kinos. Mit vielen Spezialeffekten, Actionszenen und Spannung wurde beim Klimawandel der Turbo eingelegt: Durch das Schmelzen der Polkappen bricht eine zweite Eiszeit auf der Nordhalbkugel aus, so die Story.

Ein trojanisches Pferd

Zugegeben: Oscar-verdächtig war Emmerichs Werk nicht. Aber er habe „bei einigen Besuchern die Wahrnehmung für den Klimawandel geschärft“, sagt Stefanie Plappert. Die Kuratorin beim Deutschen Filmmuseum in Frankfurt/Main hatte für die Ausstellung „Katastrophe – Was kommt nach Ende“  Katastrophenfilme analysiert. Im Gegensatz zu dem sehr ernsten Dokufilm von Al Gore habe Emmerich ein großes Publikum erreicht und dort fast unterschwellig seine Botschaft über die Risiken des Klimawandels unterbringen können, „wie ein trojanisches Pferd“. Befragungen der Kinogänger nach zwei Wochen und zwei Monaten zeigten aber: Eine Sensibilisierung für den Klimawandel hat der Film langfristig aber kaum erreicht. Den Befragten fehlte der Bezug zum Alltag: „Das Heldentum der wenigen ist einfach keine besonders hilfreiche Anleitung für die Mehrheit.“
Plappert sagt, dass „The Day After Tomorrow“ einer der wenigen Filme sei, der sich überhaupt mit dem Klimawandel auseinandergesetzt habe. Für die Vorbereitung auf die Ausstellung im Jahr 2022 habe sie rund 400 Filme gesichtet und kaum einer habe Klimawandel zentral oder als Nebenaspekt behandelt. Nicht nur sie kommt zu diesem Schluss. 

Realitycheck fürs Klima

Mit dem „Climate Reality Check“ lässt die die Organisation Green Energy Stories in den USA ausrechnen, ob der Klimawandel Teil der cineastischen Erzählwelt ist. Der Check besteht aus zwei einfachen Fragen: Wissen die Charaktere, dass es den Klimawandel gibt und kommt er erzählerisch in irgendeiner Form vor? Dazu wurden 250 Filme der letzten zehn Jahre untersucht – ausgenommen waren dabei aber beispielsweise Fantasyfilme, die nichts mit unserer Welt zu tun haben und Filme, die weit in der Vergangenheit oder Zukunft spielten.
Die US-Forscher kommen zu dem Ergebnis, dass das in weniger als zehn Prozent der überprüften Filme der Fall ist. In weniger als vier Prozent wurde der Klimawandel in zwei oder mehr Szenen erwähnt. Die Probe auf Exempel machten die Forscherinnen und Forscher auch bei den diesjährigen Oscarnominierten. Nur 10 Filme passten überhaupt in die Kategorie – und nur in einem einzigen Film wurde der Klimawandel am Rande erwähnt, dem Animationsfilm „The Wild Robot“. In dem Film sind Hinweise auf eine Klimakatastrophe sichtbar, Wale schwimmen da beispielsweise ÜBER die im Wasser versunkene Golden Gate Bridge, es gibt Hinweise, dass sich die Menschen in höher gelegene Städte geflüchtet haben. 

Klimawandel nicht „sexy“?

Dass die Erderwärmung unerwähnt bleibt – zumindest in der Filmfabrik –, das fällt durchaus auf. Es gab beispielsweise viel Kritik am Actionfilm „Twisters“, in dem es um – nun ja – die „Jagd“ auf Wirbelstürme in Oklahoma geht. Ein Remake des fast gleichnamigen Films aus dem Jahr 1996. Dass selbst im Jahr 2024 gerade in den USA beim Zeigen von Naturkatastrophen der Klimawandel im Film nicht mal ansatzweise erwähnt wird, sorgt für allerlei Fragezeichen bei Kritikern. Regisseur Lee Isaac Chung erwiderte, „er wolle mit dem Film keine Botschaft vermitteln“.
Kuratorin Stefanie Plappert sagt, es sei zudem herausfordernd, in so einem zeitlich knapp bemessenen Medium den eher langsamen Prozess des Klimawandels darzustellen. „Das ist schwierig, um nicht zu sagen unsexy.“
Studios und Produktionsfirmen zu vermitteln, dass Klimawandel ein drängendes und wichtiges Thema ist, scheint zudem in den USA unter der neuen Regierung noch schwieriger zu werden. Auch wenn Hollywood als liberales Zentrum gilt: Auch die Medienhäuser stehen unter Druck und Beobachtung der konservativen Regierung.
Wissenschaftler streichen bereits jetzt schon das Wort Klima aus ihren Texten, um Konflikte zu vermeiden und Gelder nicht zu verlieren, da die Trump-Regierung den Kampf gegen die Klimakrise quasi aus dem eigenen Wortschatz gestrichen hat.

Bloß nicht nach oben schauen!

Klingt alles deprimierend? Ja! Autor und Regisseur Adam McKay brachte das Ignorieren der Klimakrise derart auf die Palme, dass er den Film „Don't Look Up“ machte. In der Satire rast ein Komet auf die Menschheit zu; Wissenschaftler (Leonardo di Caprio und Jennifer Lawrence) warnen, Politiker raten: „Nicht nach oben schauen!“ Ähnlichkeiten mit der Realität gewollt – und vorhanden! Eine Analogie zur Klimakrise, die offenbar bei Klimawissenschaftlern gut ankam. Klimaforscher Peter Kalmus schrieb in einem Beitrag für den britischen „Guardian“, der Film stelle „die entsetzliche Nichtreaktion der Gesellschaft auf den Klimakollaps präziser dar, als jeder andere, den ich je gesehen habe.“
Möglicherweise müssen wir als Zuschauer auch den Kopf in eine andere Richtung drehen – weg von Hollywood und nach Europa. Denn auch hier werden schließlich Filme und Serien gemacht, die sich möglicherweise in Zukunft mehr trauen als die Traumfabrik. Dazu gibt es auch weiter unten eine Serienempfehlung!

Termine

Sonntag, 16. März – Havelberg
Eine naturkundliche Wanderung führt in den Hartholzauenwald „Mühlenholz“ bei Havelberg. Dabei erfahren die Teilnehmenden mehr über die Flussaue und das Biosphärenreservat zwischen Havel und Elbe. Anmeldung und Informationen hier.
Donnerstag, 20. März – Online
Wind- und Photovoltaik-Projekte in der eigenen Kommune: Die Sächsische Energieagentur lädt zur Online-Veranstaltung mit Fallbesprechungen und Methodenberatung ein. Mehr dazu hier.
Freitag, 21. März – Online
Bodennutzung als planetare Belastungsgrenze gerät oft in den Hintergrund gegenüber Klimaerwärmung und Artenverlust. Doch Böden sind untrennbar verbunden mit den anderen Dimensionen der Natur. In der Online-Veranstaltung "Bodenschutzkonzepte in Zeiten des Klimawandels" geht es darum, wie Kommunen Böden schützen können. Informationen hier.

Klima und Menschheit

Gletscherschmelze verändert Küstenökosysteme
Die Klimaerwärmung sorgt in den arktischen Breiten für das Abschmelzen von Gletschern und Permafrost. Forschende aus Bremen konnten nun zeigen, dass das Schmelzwasser den Schwermetallgehalt und das Mikrobiom der für das Ökosystem zentralen Braunalgen in den Küstenregionen verändert. Da diese Algen die Grundlage für das Nahrungsnetz sind, könne ihre Veränderung ökologische und wirtschaftliche Dominoeffekte auslösen. Die Kelps genannten braunen Makroalgen bildeten dichte Unterwasserwälder entlang felsiger Küsten, ihre ökologische Rolle könne mit der von Bäumen verglichen werden. Die Untersuchung zeigt, dass das Süßwasser den Salzgehalt im Wasser ändere, die eingeschwemmten Schwebstoffe für weniger Licht sorgten und sich die Elementzusammensetzung im Wasser ändere. Dadurch sammelten sich in den Kelps deutlich mehr Schwermetalle an. Auch das Mikrobiom, das bedeutend für die ökologische Funktion der Kelps sei, habe sich durch das viele Schmelzwasser verändert. Die Forschenden befürchten deshalb Auswirkungen auf das gesamte Ökosystem, wie zum Beispiel eine geringeres Wachstum von Fressfeinden durch die Schwermetallbelastung. Allerdings, so das Bremer Forschungsteam, könnte die Ernte dieser Kelps eine umweltfreundliche Methode für den Gewinn Seltener Erden sein.

Die Studie wurde im Fachmagazin Scientific Reports veröffentlicht.
Kalifornische Trockenheit Folge von Meereisverlust?
Laut einer neuen Modellrechnung könnte der Rückgang der arktischen Meereisfläche zum trockeneren Klima in Kalifornien und zu mehr Niederschlägen in Spanien und Portugal beitragen. Grund dafür ist die veränderte Physik des Meeres: Ohne Eis wird Sonnenlicht nicht mehr reflektiert, sondern heizt das Meer stärker auf. Zudem findet mehr Austausch zwischen Atmosphäre und Meer statt. In ihrer Simulation vergleichen die Forscher, wie sich die Strömungen in den Ozeanen und der Luft verändern, wenn die Eisflächen der früheren Ausdehnung entsprechen und den heutigen Werten. Ergebnis: Die berechneten Muster ähnelten sehr stark den Beobachtungen aus der echten Welt. Kalifornien erlebt seit 2010 wachsende Trockenheit, die zuletzt in den Bränden in Los Angeles gipfelte. Spanien wiederum wurde im vergangenen Herbst von Überschwemmungen nach starken Regenfällen getroffen.
 
Gute Noten fürs Leipzig Nahverkehrausbau
Die Umweltschutzorganisation Greenpeace hat verglichen, wie schnell deutsche Großstädte ihr Nahverkehrsangebot ausbauen. Nur Leipzig und Nürnberg haben demnach zwischen 2023 und 2025 ihr Angebot um mehr als 5 Prozent vergrößert. In Leipzig waren es demnach sogar rund 15 Prozent. Ursache dafür sind ein dichterer Takt und mehr Buslinien, die durch ein Modellprojekt des Bundes finanziert worden sind. Gerade das Deutschlandticket habe zu neuen Rekordzahlen bei den Passagieren geführt, so die Leipziger Verkehrsbetriebe in einer Mitteilung. Greenpeace kritisierte, dass die übrigen untersuchten Städte zu wenig unternehmen, um das ÖPNV-Angebot zu verbessern.

Greenpeace: Verspätete Abfahrt – der ÖPNV-Ausbau in Deutschlands Zentren kommt kaum vom Fleck

ARD, ZDF und DRADIO

Families Like Ours

Mitten in einer Klimakatastrophe kämpfen sechs Menschen um ihre Zukunft.

Versiegelung: Wer schützt die Grünflächen?

Weiteres Thema dieser KlimaZeit: Pariser Wege beim Autoverkehr.

US-Klimapolitik: Rolle Rückwärts?

Welche Folgen hat Trumps Ausstieg aus der Klimapolitik?

👋 Zum Schluss

Noch eine Zahl: Rund 500 Tonnen CO₂-Emissionen „verbläst“ übrigens ein durchschnittlicher Hollywoodfilm. Trotz der Bemühungen in den vergangenen Jahren, etwas grüner zu produzieren. Für die Produktion eines deutschen Tatorts rechnet man „nur“ mit etwa 140 Tonnen CO₂. Vielleicht noch ein Grund mehr, die Sehgewohnheiten zu ändern? Oder wie es mein Kinder-Fernsehheld Peter Lustig immer zum Schluss sagte: und jetzt – Abschalten.

Herzlich, 
Katharina Wilhelm

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