Aber woran liegt es dann, dass das Klima im Wahlkampf so wenig Beachtung findet? Einer der Hauptgründe ist, dass sich in Anbetracht der vielen anderen Krisen die Prioritäten in der gesellschaftlichen Aufmerksamkeit verschoben haben, analysieren viele Fachleute.
Bei der Europawahl 2019 etwa gab es eine Nähe zu Extremwetterereignissen wie dem Dürresommer im Jahr zuvor, der die Auswirkungen der Klimakrise spürbar gemacht habe,
sagt Lena Partzsch, Politikwissenschaftlerin mit Schwerpunkt Umwelt- und Klimapolitik. Außerdem habe die Fridays For Future-Bewegung das Thema in die Welt getragen. "Dann kam die Corona-Pandemie und der Ukraine Krieg und die Prioritäten haben sich verschoben", so Partzsch.
Außerdem fordert die kriselnde Wirtschaft nach der Corona-Pandemie die Aufmerksamkeit vieler Menschen – auch, weil sie die Folgen in der eigenen Geldbörse zu spüren bekommen. In diesem Umfeld lassen sich vermeintlich teure Klimaschutzbemühungen für die Politik offenbar nur schwer vermitteln, für komplexe Zusammenhänge zwischen Wirtschaft und Klimakrise ist im Wahlkampfgetöse ohnehin kein Platz. Und dann ist da im Zuge der Anschläge von Solingen und Aschaffenburg allen voran das Thema Migration ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt. "Wir haben auf der einen Seite wirtschaftliche Problemlagen und auf der anderen eine Migrationsdebatte, die immer wieder angeheizt wird. Es ist natürlich sehr schwer, in so einer Situation klimapolitische Themen in der Debatte unterzubringen", bilanziert
Pablo Jost, Kommunikationswissenschaftler an der Universität München. Man habe den Eindruck, das Thema Klimaschutz gehöre zum "Luxusgedöns", um das man sich kümmern könne, wenn die Wirtschaft wieder brummt, beklagte auch Ottmar Edenhofer, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) jüngst in einem Zeitungsinterview. Doch Klimapolitik müsse eigentlich Teil jedes Politikfelds sein.
"Und dann ist es natürlich in so eine Lebensstildebatte umgeframed worden", sagt die
Politökonomin Maja Göpel. "Das kennen wir aber aus der Forschung, dass viele von den Themen, die von Populisten aufgegriffen werden, dann in so Lebensstilfragen runtergebrochen werden, anstatt dass wir darüber sprechen, dass das Physik ist, aus der sich ableiten lässt, wie sich unsere Lebensgrundlagen und Lebensbedingungen verändern." Dadurch wirke das Thema Klima als wäre es ein ideologisches, so Göpel. "Es ist schwer, damit im Moment zu punkten."