Bahnreisen mögen hier und da unvergnüglich sein. Aber es geht noch unvergnüglicher: Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts gab’s in Deutschland nicht nur einen Dschungel an Bahngesellschaften, sondern auch einen Dschungel an Zeitzonen. Nun stelle man sich das Kuddelmuddel mit dem Fahrplan auf einer Reise vom Herzogtum Mecklenburg-Schwerin ins Königreich Württemberg vor. Mit Recht hat Deutschland eine allgemeingültige Uhrzeit bekommen. Und mit Recht hat Deutschland, 120 Jahre später, ein allgemeingültiges Ticket bekommen.
Mit dem Deutschlandticket hat das Land seine Zerfaserung in hunderte Verkehrsunternehmen und zahlreiche Verkehrs- und Tarifverbünde zumindest teilweise überwunden, sodass es vollkommen egal geworden ist, ob man im mondänen Radebeul oder im mondänen Bad Godesberg in die Bimmel steigt. Für den deutschen Nahverkehr kommt das einer ähnlichen Revolution gleich, wie die Einführung der mitteleuropäischen Zeit für den Fernverkehr. Oder, Herr Doll?
„Also, dadurch, dass man es geschafft hat, den ÖPNV zugänglicher für viele zu machen, spielt es schon eine sehr wichtige Rolle.“ Claus Doll forscht zu Klima und Zukunft in Verkehrssystemen und leitet die Arbeitsgruppe People Mobility der deutschen Fraunhofer-Institute. Das Deutschlandticket habe es geschafft, eine jahrzehntealte Diskussion zu beenden. Und 13 Millionen Deutschlandtickets lassen den Schluss zu, dass der Fahrschein in der deutschen Mobilitäts-DNA fest verankert ist. Damit man sich darüber aber nicht zu sehr freut, kommt Doll gleich mit einem Aber um die Ecke: „Wie auch in anderen Bereichen des Verkehrs oder auch der Industrie oder der Bildung in Deutschland, haben wir hier ein Reformstau vorliegen. Das heißt, wir bräuchten unbedingt eigentlich mehr Geld, um den ÖPNV auch so attraktiv zu machen, dass er die Nachfrage, die auch mit dem Deutschlandticket erzeugt wurde, gut befriedigen kann.“ |