Also alles relativ, konkrete Zahlen rückt ChatGPT selbst nicht raus. Dass die Emissionen bei hoher Effizienz und Strom aus erneuerbaren Energien gering sein können, stimmt theoretisch. Allerdings reicht der grüne Strom bislang nicht aus, um den globalen Bedarf zu decken. Im Jahr 2023 wurde knapp ein Drittel des Stroms (32,5 Prozent) in der EU mit fossilen Brennstoffen produziert. Microsoft kündigte im vergangenen Jahr an, einen Teil des nach einem Störfall stillgelegten Atomkraftwerks Three Mile Island wieder in Betrieb nehmen zu wollen – und zwar explizit, um den wachsenden Energiebedarf seiner KI-Produkte zu decken. Auch Google gab bereits bekannt, dass die eigenen Emissionen wegen KI-Programmen enorm gestiegen sind. Wie viel Strom braucht so eine KI also?
"Die genauen Zahlen wissen wir leider gar nicht", sagt Friederike Hildebrandt. Sie ist Aktivistin und koordiniert das Netzwerk Bits & Bäume, das sich für eine klimafreundlichere und sozial-gerechte Digitalpolitik einsetzt. Konkrete Zahlen sind auch deshalb schwer zu kalkulieren, weil generative KI gleich zweimal Strom braucht: Während ihres "Trainings", also bevor sie überhaupt zum Einsatz kommt und dann während der Inferenz, als der Nutzung des Modells.
Training 💪
Das Training einer generativen KI dauert mehrere Wochen und umfasst in der Regel riesige Datenmengen. Eine Studie von 2022 schätzt, dass das Training von GPT-3, einem Sprachmodell vom selben Unternehmen wie ChatGPT, jedoch komplexer, mit 1287 MWh Stromverbrauch und 502 Tonnen CO2-Äquivalenten kalkuliert werden kann. Das entspricht ganz grob dem CO2-Ausstoß von 50 Deutschen im Jahr 2023.
Nutzung 👩💻
Das Besondere an generativer KI wie ChatGPT ist, dass sie nicht etwa von einer Forscherin genutzt wird, um wissenschaftliche Daten auszuwerten – sie wird von ALLEN genutzt. Das potenziert den Energiebedarf. Friederike Hildebrandt sagt, sie gehe davon aus, dass die Nutzung von generativer KI wie ChatGPT etwa 70 Prozent ihres Energiebedarfs ausmache. Der Tech-Journalist Chris Pointon rechnet 2023 mit einem Verbrauch von 77.160 kWh Stromverbrauch pro Tag durch ChatGPT – verbunden mit rund 24 Tonnen CO2-Äquivalenten pro Tag.
Dabei muss man allerdings im Kopf behalten: Das sind lediglich Modellkalkulationen und auch lediglich für ein einziges Programm, teilweise gehen die Berechnungen weit auseinander. Wo sich der Energiebedarf der generativen KI möglicherweise ein wenig deutlicher abzeichnet, sind die entsprechenden Rechenzentren, in denen die Modelle "arbeiten". Bits & Bäume-Koordinatorin Hildebrandt erklärt, sie gehe davon aus, dass aktuell circa zehn bis 20 Prozent der globalen Rechenzentren-Kapazität alleine für KI genutzt werde und sich das bis 2030 mit den generativen KI-Modellen verdoppeln könnte. Studien kommen zu ähnlichen Resultaten. Damit einher geht auch ein hoher Hardware- und Wasserbedarf (zur Kühlung).