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vom 13. Dezember 2024

Advent, Advent, die Plasmafackel brennt

von Inka Zimmermann

Liebe Lesende,

noch elf Tage bis Weihnachten, draußen ist es dunkel und kalt. Zeit für ein paar warme Gedanken. Dreieinhalb Tausend Grad warm sogar! So heiß ist die "Flamme" der Freiberger Plasmafackel. Aber lassen Sie mich ganz von vorn beginnen. In dieser Woche war das sächsische Bergbau-Städtchen Freiberg recht präsent in den Medien. Bundeskanzler Olaf Scholz war am Dienstag da, um sich über den Abbau von Lithium im Erzgebirge zu informieren.

Auch mich zog es diese Woche nach Freiberg, denn: Seit einem halben Jahr gibt es dort ein neues Forschungszentrum für eine klimaneutrale Metallindustrie. Freiberg hat eine lange Tradition in der Gießerei: Das entsprechende Institut der Technischen Universität gibt es schon seit den 1930er Jahren. Wie eine Masterarbeit am Gießerei-Institut der TU Bergakademie Freiberg nun die Metallindustrie der Zukunft klimafreundlicher machen kann, erfahren Sie diese Woche.

ZAHL DER WOCHE

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Tonnen Eichensaatgut konnten in diesem Jahr in den Thüringer Wäldern gesammelt werden. Besonders in Nordthüringen sowie im Südwesten des Freistaats seien die Ernten sehr erfolgreich gewesen, berichtet der landeseigene Forstbetrieb. Dabei handle es sich vor allem um Traubeneichen. Die Bäume vertragen Trockenperioden vergleichsweise gut und gelten damit als Hoffnungsträger in der Anpassung der Wälder an den Klimawandel. Eichen benötigen zum Wachsen viel Licht und sind damit besonders für die Wiederbewaldung von Schadflächen – also Flächen, die beispielsweise aufgrund des Borkenkäfers gerodet werden mussten – geeignet. Nach Angaben von Thüringenforst-Vorstand Volker Gebhard können mit der diesjährigen Ernte bereits in zwei Jahren hunderttausend Eichenpflänzchen gepflanzt werden.

Von der Masterarbeit zur grünen Metallurgie 

Freiberg, 2020: Der Fahrzeugbau-Student Tobias Wanner sucht nach einem Thema für seine Masterarbeit. In den Aushängen der Technischen Universität findet er ein Thema, das spannend und praxisnah klingt. Bietet sich an für eine Abschlussarbeit. Vier Jahre später ist er Doktorand, immer noch an der TU Freiberg. Sein Masterarbeitsthema hat ihn nicht mehr losgelassen. "Er ist dran geblieben wie ein Terrier, sonst wäre das Ding nie ins Laufen gekommen", sagt Betreuer Gotthard Wolf. Nun steht das Ergebnis der Masterarbeit kurz vor der Industriereife und könnte einen Beitrag dazu leisten, die Klimabilanz der gesamten Metallindustrie entscheidend zu verbessern.

Zum Kontext: Die Metallindustrie trägt in hohem Maße zum Klimawandel bei. Sechs Prozent der weltweiten CO2-Emissionen gehen derzeit alleine auf das Konto der Stahl- und Aluminiumindustrie. Jährlich sind das ungefähr 4,4 Milliarden Tonnen CO2-Äquivalente. Eine Studie von 2019 prognostiziert, dass der gesamte Metall-Produktionssektor durch die steigende Nachfrage für Energie, Bauwesen, Sicherheit und Transport bis 2050 um 200 Prozent wachsen könnte. Wenn wir bis dahin klimaneutral sein wollen, muss der gesamte Sektor sich radikal verändern. Hochöfen, die man für die Stahlerzeugung verwendet, haben eine Lebensdauer von mehreren Jahrzehnten – das bedeutet, dass man schon jetzt in Politik und Industrie die Weichen stellen müsste. Einfach ist das nicht, weil die Metallindustrie eine energieintensive Industrie ist, die immer noch stark auf fossile Brennstoffe wie Kohle und Erdgas setzt.

Kohle bzw. der daraus entstandene Brennstoff "Koks" wird beispielsweise im Hochofenprozess als Reduktionsmittel für Eisenoxid eingesetzt. Das ist für die Eisen- und im Nachgang auch für die Stahlherstellung wichtig. Der Hochofenprozess ist schon sehr alt und gewissermaßen ein Klassiker im Chemieunterricht. Mittlerweile wird im Hochofen teilweise Erdgas eingesetzt, was die CO2-Emissionen bereits ein wenig reduziert. Als Nachfolger des Hochofens wird aktuell das wasserstoffbasierte Direktreduktionsverfahren gehandelt. Die Umstellung auf dieses Verfahren kostet viel Geld: Deutschlands größter Stahlkonzern Thyssenkrupp nennt für die eigenen Anlagen eine Summe von sieben Milliarden Euro.

Metalle schmelzen in der Mikrowelle 

Daneben gibt es auch noch eine weitere Möglichkeit, die Emissionen der Metallindustrie zu senken: Man könnte auch den Anteil an Schrott, der von der Industrie wiederverwertet wird, erhöhen. Ein Metall einzuschmelzen, braucht deutlich weniger Energie, als es durch Reduktion aus seinem Erz zu gewinnen. Handelt es sich um reinen Stahlschrott, gibt es mit dem Lichtbogenofen bereits eine strombasierte Technologie. Für alles andere kommt Tobias Wanners Masterarbeit ins Spiel: Eine dreieinhalb Tausend Grad heiße Plasmafackel. Wanner verteilt Schutzbrillen, dann schaltet er die Fackel mit drei schnellen Griffen an. Die Flamme erinnert an eine Gasflamme mit ungewöhnlich weißer Farbe. Allerdings ist das schon der erste Trugschluss: Was aussieht wie eine Flamme, ist nichts als ionisierte Luft.

Die Plasmafackel in Aktion – Rechte: MDR/Inka Zimmermann

Im Grunde funktioniere die Plasmafackel ähnlich wie eine Mikrowelle, erklärt Tobias Wanner. Die zunächst gasförmige Luft im Inneren der Plasmafackel wird mit der Strahlung immer weiter erhitzt. "Wenn man dem Gas dann immer mehr Energie zuführt, dann wird das Gas irgendwann ionisiert, es spalten sich Außenelektronen ab und damit erreichen wir den Plasmazustand." Das ist neben fest, flüssig und gasförmig ein vierter Aggregatzustand. Was dann nach außen strömt und wie eine Flamme aussieht, ist also nicht das Produkt einer Verbrennung, sondern nichts als heiße Luft.

Ein "Mords-Sprung" 

Gefüttert wird die Plasmafackel mit sechs Kilowatt Strom. "Also in etwa die Hälfte davon, was sie brauchen, um ein Einfamilienhaus im Winter gut warm zu bekommen", erklärt Gotthard Wolf. Das ist zwar nicht unbedingt energiesparend, aber "wenn wir jetzt diese Anlage hier mit grünem Strom betreiben, dann sind wir absolut grün im Schmelzen von Metallen. Die Metallurgie war immer schon ein energieintensiver Betrieb, aber dass es uns jetzt gelingt, hier raus aus diesen karbonischen Brennmitteln zu kommen, ist schon ein Mords-Sprung", findet Wolf, Professor am Gießerei-Institut der TU. "Das, was jetzt hier rauskommt aus dem Brenner, ist von den Temperaturen her vergleichbar mit einer Erdgasfackel", erklärt Doktorand Tobias Wanner. Die nächstgrößere Plasmafackel hat Wanner auch bereits daneben gebaut. "Die ist dann schon bei 60 Kilowatt". Nun arbeiten Wanner und Wolf daran, die Technologie in die Industrie zu bringen. Ein Partner aus der Praxis unterstützt die beiden bereits mit dem technischen Know-how. Noch im nächsten Halbjahr soll die Plasmafackel in die Industrie gehen.

Mit Wasserstoff ginge es auch 

Ganz ohne Konkurrenz ist die Plasmafackel allerdings nicht. Parallel dazu arbeiten Forschende und Industrie auch an einem Wasserstoffbrenner, der ebenfalls zum Schmelzen von Metallschrott eingesetzt werden könnte. Mit grünem Wasserstoff betrieben, wäre diese "Wasserstofffackel" ebenfalls komplett klimaneutral. Das wirft die Frage auf, welcher Technologiezweig sich längerfristig in der Industrie durchsetzen wird.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer betont immer wieder, dass er an grünen Wasserstoff glaubt. Universitätsprofessor Gotthard Wolf sieht das kritisch. "Wir merken da eine große Ernüchterung bei den Betrieben, was das Thema Wasserstoff angeht". In Sachsen wisse man nicht, wann jemals eine Wasserstoffpipeline ankommen werde, noch dazu sei unklar, ob Wasserstoff dann für mittelständische Unternehmen finanzierbar sein werde. "Deswegen haben wir gesagt, wir warten nicht, sondern fangen mit elektrischen Lösungen an, ohne auf dieses 'Wunder Wasserstoff' zu hoffen." Er hingegen könne sich vorstellen, die Plasmafackel noch mit leistungsstarken Akkus auszustatten. "Dann ist es durchaus denkbar, dass man eine ganze Schicht, wenn etwa Dunkelflaute herrscht, aus dem Akku heraus bedient."

Einfach nur den Brenner tauschen? 

Mehr als 20 Anfragen von Gießereien in ganz Deutschland habe man bereits. "Die würden sofort mit uns in die Technologie einsteigen, wenn wir Brenner zur Verfügung haben, die in den entsprechenden Größenordnungen laufen", betont Wolf. Dann könnte die Plasmafackel überall eingesetzt werden, wo es bisher Erdgasbrenner gibt. "Also beim Schmelzen von Aluminium, Glas, in der Zementindustrie oder zum Vorwärmen der Gießpfannen in der Stahlindustrie." Das ginge dann sogar ganz ohne große Umbauten, prognostiziert Tobias Wanner. Man müsse einfach nur den Brenner tauschen. Bis 2030 sei ein solcher Wechsel aus seiner Sicht realistisch, sagt Gotthard Wolf.

Billig – und das sei vielleicht zuletzt noch erwähnt – ist die Transformation der Metallbranche allerdings nicht. Ganz egal, ob die Unternehmen am Ende auf Wasserstoff oder Strom setzen. "Die CO2-Freiheit müssen wir bezahlen", betont auch Gotthard Wolf. Dass klimaneutraler Stahl eines Tages mal billiger wird als der heutige Stahl? Glaube er nicht, es sei denn, der fossil produzierte Stahl werde künstlich verteuert. Das wäre beispielsweise bei einer CO2-Bepreisung der Fall.

Termine

Samstag, 14. Dezember – Leipzig 
Seminar: Jäger der Lüfte. Einladung der Klinik für Vögel und Reptilien der Veterinärmedizinischen Fakultät der Universität Leipzig und dem Netzwerk Wildtierhilfe Sachsen e.V. zum Seminar "Jäger der Lüfte - Unsere hilfsbedürftigen Greifvögel und Eulen". Beginn um 10 Uhr. Details hier. 
Montag, 16. Dezember – online 

Städte auf dem Weg zur Klimaneutralität – Erfahrungsberichte aus Dijon Métropole und Aachen. In diesem Seminar werden Erfahrungen vorgestellt, die mit sogenannten ‚Climate City Contracts‘ gemacht wurden, um strukturelle, institutionelle und kulturelle Barrieren auf dem Weg zur Klimaneutralität zu überwinden. Dijon Métropole (FR) und Aachen (DE) gehören zu den 112 Städten, die ausgewählt wurden, um an der EU-Mission für 100 klimaneutrale und intelligente Städte bis 2030 teilzunehmen, auch bekannt als die Cities Mission. Die Veranstalung gebinnt um 10 Uhr, alle weiteren Informationen hier. 

Mittwoch, 8. Januar – Questenberg 
Die Firma Knauf hat einen Antrag auf Probebohrungen im Biosphärenreservat Karstlandschaft Südharz gestellt. Dagegen hatte der Bund für Umwelt und Naturschutz Sachsen-Anhalt eine umfangreiche, ablehnende Stellungnahme eingereicht. Nun soll ein Gipskarst-Stammtisch im Lokal "Zur Queste" alle Interessierten verknüpfen. Mehr Infos hier.

Klima und Menschheit

Union und FDP bieten ja zu CCS an

Vor dem Ende der Ampel-Regierung hatte das Wirtschaftsministerium unter Robert Habeck ein Gesetz zu unterirdischen Speicherung von CO2 ("Carbon Capture and Storage", kurz CCS) eingebracht. Mit dem Ende der Regierung war unklar, was mit dem Gesetz passiert, nun haben sowohl die Union, als auch die FDP angeboten, dass sie dem CCS-Gesetz zustimmen würden. Das Gesetz sieht vor, dass diese Speicherung einen Beitrag zum Erreichen der Klimaziele leisten könnte. CO2 soll abgeschieden und zu einem unterirdischen Speicher transportiert werden. Vorgesehen ist dies vor allem in der Nordsee. Manche Experten und Umweltorganisationen warnen davor, in größerem Maßstab auf CO2-Speicherung zu setzen, weil sie als sehr teuer und schwer in großem Maßstab umsetzbar gilt.

UN-Bericht: Landflächen der Erde deutlich trockender geworden 

Mehr als drei Viertel der Landflächen der Erde (77,6 Prozent) sind einer Studie zufolge in den vergangenen drei Jahrzehnten dauerhaft trockener geworden. Die Trockengebiete der Erde dehnten sich demnach im Zeitraum von 1991 bis 2020 um etwa 4,3 Millionen Quadratkilometer aus. Werde der Ausstoß an Treibhausgasen nicht begrenzt, trockneten zunehmend mehr Landflächen aus, heißt es in der Analyse, welche das in Bonn ansässige Sekretariat der Konvention der Vereinten Nationen zur Bekämpfung der Wüstenbildung (UNCCD) veröffentlichte. Laut der UNCCD-Studie wechselten 7,6 Prozent der Landfläche weltweit ihren Trockenheitsstatus hin zu einer trockeneren Stufe. Die meisten dieser Gebiete seien von feuchten Landschaften zu Trockengebieten geworden, was katastrophale Auswirkungen auf die Landwirtschaft, die Ökosysteme und die dort lebenden Menschen habe.

Hintergründe bei MDR WISSEN.

Kulturbüro Sachsen warnt vor "Anti-Klimaschutz-Mobilisierung"
Das Kulturbüro Sachsen warnt vor dem Mobilisierungspotential der extremen Rechten gegen Klimaschutz. Aktuell handle es sich noch nicht um das Hauptmobilisierungsthema, es werde aber schon über einen langen Zeitraum vorbereitet und in den nächsten Jahren immer wichtiger, sagte Geschäftsführer Michael Nattke. Im letzten Bundestagswahlkampf beispielsweise hätten Posts der AfD in den sozialen Medien zum Thema Klimaschutz bereits die meisten Interaktionen ausgelöst. Innerhalb der rechten Szene gibt es zwei Strömungen, die sich gegen Klimaschutz richten, wie Nattke erläuterte: Einerseits den wissenschaftsfeindlichen Antiökologismus, der die Folgen des Klimawandels verharmlost oder leugnet, andererseits ökofaschistische Strömungen, die das Thema Umweltschutz für ihre völkische Ideologie nutzen. Sie propagieren, Menschen sollten an ihrem "angestammten Ort" bleiben, dann gebe es auch keinen Klimawandel.  

ARD, ZDF und DRADIO

Lithium – strategischer und kritischer Rohstoff in Sachsen

Der Rohstoff war in dieser Woche Anlass für den Besuch von Bundeskanzler Scholz in Freiberg. Aber es gibt auch Kritik am Abbau in der Region. 

Milliardenbetrug an der Tankstelle 

Ölkonzerne wie Shell, OMV und Rosneft Deutschland nutzten offenbar Fake-Projekte in China, um ihre gesetzlichen Klimaschutzziele zu erreichen. Wer profitiert vom Klimaschutz-Fake? Das zdf-Magazin frontal berichtet. 

Sinn und Unsinn von Umweltzonen

Umweltzonen wirken sich positiv auf die Luftqualität und die Gesundheit aus. Eine Studie liefert dazu neue Fakten. Trotzdem schaffen etliche Städte die Umweltzonen wieder ab. Ein Fehler, findet Umweltökonomin Claudia Kemfert. 

👋 Zum Schluss

Ich wünsche Ihnen eine schöne Vorweihnachtszeit. Vielleicht ja sogar weiße Weihnachten. Vom Mythos der weißen Weihnacht in unseren Breiten berichten meine Kollegen Florian Zinner und Robert Rönsch übrigens hier. Die gabs es nämlich auch vor dem Klimawandel nicht unbedingt so zuverlässig, wie wir uns vielleicht zu erinnern meinen. 

Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende 🎄
Inka Zimmermann 

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