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#167
vom 15. November 2024

Mein Kind, die Welt geht unter!

von Katja Evers
Liebe Lesende,

die letzte Woche hat mich in einer Art Schockstarre zurückgelassen: Nicht etwa, weil ich einen Trump als Präsident nicht erwartet hätte, sondern, weil ich es schon lange befürchtet habe. Furcht aber ist der Treiber von Unsicherheit. Unsicherheit, die zu Entscheidungen führt, die als Konsequenz eben eine solche Wahl nach sich zieht und nun sicherlich auch – Sie haben es letzte Woche gelesen - harte Konsequenzen für das Klima haben wird.

Und ich, ich sitze resigniert in meinem Wohnzimmer, lache, spiele mit meinem Sohn, und frage mich, wie ich ihm unsere verrückte Welt und worauf sie zusteuert, irgendwann erklären soll. Wenn es Ihnen auch so geht, sind Sie nach diesem Newsletter hoffentlich schlauer.

Erst aber wie gewohnt zur …

ZAHL DER WOCHE

490

… Milliarden Dollar hat die Öl- und Gasindustrie im Krisenjahr 2022 mehr erwirtschaftet als prognostiziert. Das geht aus einer aktuellen Studie der TU München hervor, die die Bilanzen von 93 Öl- und Gasunternehmen untersucht hat. Die Übergewinne eines Jahres seien damit in etwa die Summe, die ärmeren Staaten für einen Fünfjahreszeitraum versprochen wurde, um den Klimaschutz voranzutreiben, so Prof. Dr. Florian Egli. Die Frage der Finanzierung für Entwicklungsländer wird auch bei der laufenden UN-Klimakonferenz (COP29) in Baku eine zentrale Rolle spielen. Eine viel diskutierte Möglichkeit ist dabei die Übergewinnsteuer. Mehr dazu

Wie erkläre ich meinem Kind den Klimawandel?

Die gute oder – wie man’s nimmt - schlechte Nachricht ist: Spätestens ab dem Grundschulalter wird ihr Kind höchstwahrscheinlich mit vielen Herausforderungen, speziell auch Klima- und Umweltthemen konfrontiert - sei es in der Schule, in Vereinen, in den Nachrichten oder Social Media, meint Christian Klöckner, Umweltpsychologe an der Universität Trondheim. Er hat schon 2010 untersucht, welche Gefühle 9-14-Jährige mit dem Klimawandel verbinden: Von Wut, Frust, Trauer über Motivation selbst etwas ändern zu wollen, sei alles dabei gewesen – wie bei Erwachsenen auch. Anders als wir Erwachsene müssten Kinder aber erst noch lernen, diese Gefühle zu erkennen und damit umzugehen. Eltern sollten deshalb die Reaktion ihrer Kinder auf die Informationen ernst nehmen: "Nicht sagen: 'Das Problem ist nicht so schlimm.' Oder: 'Jetzt mach‘ dir darüber mal keine Gedanken oder das verstehst du nicht.'" Stattdessen: Gefühle ansprechen und konstruktiv überlegen, was man tun kann. 

Klingt einfach, mit den Nachrichten der letzten Woche aber auch irgendwie utopisch. Julia Asbrand, Professorin für klinische Psychologie des Kindes- und Jugendalters in Jena, rät deshalb Eltern erst einmal dazu vorzuverdauen – etwa mit anderen Erwachsenen über die Gefühle zu sprechen: "Das müssen wir vorschalten, bevor wir mit Kindern darüber reden." Nicht etwa, um die Dinge dann schönreden zu können, im Gegenteil: Eltern sollten die Wahrheit sagen, aber eben in einem Rahmen, den das Kind versteht und verkraftet: "Kinder lernen ja auch an uns, wie wir zum Beispiel mit solchen komplexen Situationen umgehen. Das heißt, unsere Kinder müssen wir auch auf eine Welt vorbereiten, die komplex ist, die positive Dinge beinhaltet, aber auch negative Dinge." Die Wörter Klima, Artenschutz oder Biodiversität muss man dabei nicht unbedingt in den Mund nehmen. 

Altersgerecht und objektiv: Die richtigen Werkzeuge für Ihr Kind

Denn um proaktiv zu werden, muss Ihr Kind nicht das große Ganze verstehen. Im Gegenteil: Es hilft, die große komplexe Herausforderung namens Klimaschutz in kleine lösbare Einzelteile zu brechen, meint Christian Klöckner. Das fängt schon im Kleinen an: "Wenn das Kind von sich aus jetzt zum Beispiel Müll entdeckt und darauf reagiert, ist das ja ein guter Ansatz, das aufzugreifen und zu sagen: 'Ja, es ist blöd, wenn hier Müll herumliegt, weil: das könnte ja ein Effekt haben auf Tiere, die da leben.'" Mit älteren Kindern könne man beim Einkaufen überlegen, wo die Sachen herkommen oder den Fleischkonsum gemeinsam einschränken (pupsende Kühe kommen bei Kindern jedenfalls gut an 😉). Wichtig sei, dass Kinder Möglichkeiten hätten, die in ihrem eigenen Handlungsspielraum liegen. Das helfe auch insgesamt der psychischen Gesundheit, ergänzt Julia Asbrand.
 
Dabei muss nicht jede Handlung auch immer gleich einen großen, für alle messbaren Effekt haben. Vielmehr geht es darum, Dinge erfahrbar zu machen. Für meinen dreijährigen Sohn, der gerne Blumen abpflückt, hat die Psychologin ad hoc folgende Experiment-Idee: "Dass sie sagen: Okay, jetzt haben wir die Blumen gepflückt. Die stellen wir zu Hause in die Vase. Und dann gucken wir immer mal auf der Wiese vorbei und gucken, welche länger blühen." Dass die Blumen auf der Wiese länger blühen, sei dann wiederum ein Ansatz, um zu erklären, dass es nicht nur Wasser, sondern auch Erde für die Blumen brauche. Und so könne man sich nach und nach herantasten.
 
Wichtig sind Julia Asbrand zufolge hier zwei Dinge: Erstens soll jedes Kind Nein sagen dürfen. Wenn es die Information nicht hören will, keine Lust auf Experimente hat oder einfach für sich selbst andere Prioritäten setzt, sei das vollkommen in Ordnung. "Für Kinder gibt es ständig neue Informationen, neue Gefühle, neue Herausforderungen, mit denen sie umgehen können müssen." Das Klima sei, wenn überhaupt, nur eine davon. Und zweitens sollten Eltern nichts verteufeln: Weder das Blumenpflücken, noch den Nachbarn, der mit einem großen SUV herumfährt. Das schaffe Feindseligkeit, dabei gehe es doch explizit darum, "gemeinsam auch wertzuschätzen, dass wir eine Welt um uns herum haben, die für uns wichtig ist, von der wir abhängen".

Eine Botschaft, von der auch wir Erwachsenen uns - gerade mit Blick auf die spaltende Wahl in den USA – eine Scheibe abschneiden sollten. 

Termine

Samstag, 16. November – Halle 
Der BUND Halle-Saalekreis und der Ernährungsrat Halle/Umgebung laden unter dem Motto "Gib deinem Senf dazu!" zu einer Diskussion über die Zukunft der regionalen Lebensmittelversorgung. Mehr dazu
Ab Freitag, 22. November – München
Das deutsche Museum lädt zur "Klima-Expedition". Mit spannenden Exponaten und vielen Mitmach-Angeboten zeigt die Ausstellung, wie es ist, in der Arktis zu forschen und wie der Klimawandel dort besonders deutlich wird. Mehr Infos
Ab Freitag, 22. November – Görlitz
Im Senckenberg Museum für Naturkunde startet die Ausstellung "Geschmack der Regionen - Obst und Gemüse neu entdeckt!", die unter anderem thematisiert, welche Sorten und Arten in der Vergangenheit in Deutschland angebaut und später verdrängt wurden. Weitere Infos

Klima und Menschheit

Viele Deutsche halten das Thema Klimawandel für weniger wichtig
Das geht aus einer Umfrage der Europäischen Investitionsbank (EIB) hervor. Demnach gaben zwar fast alle Befragten an, die Anpassung an den Klimawandel sei notwendig, Priorität habe das Thema aber nur für 40 Prozent. Damit liegt Deutschland zehn Prozentpunkte unter dem EU-Durchschnitt. Im Vergleich mit anderen Themen stuften die deutschen Befragten den Klimawandel als drittgrößte Herausforderung ein, nach Migration als größter und höheren Lebenshaltungskosten als zweitgrößter. Sechs von zehn Deutschen (63 Prozent) rechnen damit, dass der Klimawandel sie zwingen wird, ihre Lebensweise zu ändern. Mehr dazu
Jetzt erst recht!? Die Weltklimakonferenz COP29
ist am Montag im aserbaidschanischen Baku gestartet und das direkt nach der Wahl Trumps zum Präsidenten. Hat das also einen Einfluss? Friederike Otto, Mitautorin des Weltklimaberichts und Miterfinderin der Attributionsforschung, glaubt eher an einen "Jetzt-erst-recht-Effekt". Viele Menschen aus dem erstarkenden globalen Süden könnten demnach ihre Interessen durchsetzen. Die USA selbst seien für die COP nie besonders wichtig gewesen. Daneben unterstreicht Ana Bastos, Geophysikerin an der Uni Leipzig, dass die wissenschaftlichen Grundlagen für das Verständnis des Klimawandels bereits vorhanden seien. "Das Problem sind jetzt die gesellschaftlichen Lösungen und wie wir zusammen als eine ganze Welt, die in Krisen steckt, gemeinsam eine Lösung finden." Es komme darauf an, Kompromisse zu finden, die auch den globalen Süden und ärmere Staaten einbinden. Alle müssen zusammenarbeiten. "Wenn wir das als ein menschenweites Problem vorstellen, können wir eine Lösung finden." Weitere Infos
Shell siegt vor Gericht
und muss damit seinen CO2-Ausstoß doch nicht drastisch reduzieren. Ein Zivilgericht in Den Haag hob ein entsprechendes Klimaurteil der ersten Instanz auf und wies die Klage von Umweltschützern ab. Diese hatten Shell verklagt und 2021 Recht bekommen. Ein Gericht in Den Haag hatte damals angeordnet, der Konzern müsse seine Kohlendioxid-Emissionen bis 2030 um netto 45 Prozent im Vergleich zu 2019 senken. Ein historisches Urteil, das nun aufgehoben wurde. Der Berufskammer fehle die verlässliche Berechnungsgrundlage für diese Zahl, so Richterin Carla Joustra. Derlei Vorgaben müssten ihr zufolge eigentlich von der Politik kommen. Das britisch-niederländische Unternehmen derlei einseitig zu belasten, würde zudem den Markt verzerren. Mehr Infos

ARD, ZDF und DRADIO

Wilde Eltern

Wie sie ihrem Nachwuchs mit unterschiedlichen Strategien ein gutes Leben ermöglichen möchten.

Das Ampel-Aus

und was das für das Deutschlandticket bedeutet, das klärt die Podcastfolge.

Trumps Sieg

und der Bruch der Ampel - was heißt das für den Klimaschutz?

👋 Zum Schluss

Viele der Dinge, wie wir mit Kindern kommunizieren sollten, können auch wir uns als Erwachsene merken: Nicht immer nur die großen Probleme sehen, sondern nach kleinen Lösungen suchen. Wirksam werden, Gefühle zulassen und niemanden verurteilen, wenn er es anders macht. Vor allem aber feinfühlig miteinander umgehen und nicht davon ausgehen, dass die eigene Gefühlswelt, die eigenen Fragen und die eigenen Prioritäten bei anderen die gleichen sind.

Nur so können wir die Krisen unserer Zeit, die durch Spaltungen entstanden sind und weiter entstehen, auch meistern. Gemeinsam, mit einer nachwachsenden Generation, die es irgendwann besser weiß als wir. Hoffentlich!

Liebe Grüße
Katja Evers

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