Dass akutes Kriegsgeschehen einen direkten Einfluss auf die Treibhausgasemissionen hat, ist offensichtlich: An der Front werden allein schon Milliarden Liter Treibstoff verbrannt und zahllose Brände verursacht. Aber wie groß ist der Effekt? Mit den Klimafolgen des Krieges in der Ukraine hat sich unter anderem der Report
"Climate Damage Caused By Russia’s War in Ukraine" der Forschungsgruppe "Initiative On Greenhouse Gas Accounting Of War" unter der Leitung von
Klimaforscher Lennard de Klerk beschäftigt. Es ist bereits der vierte Report der Gruppe zu den Emissionen des Ukraine-Kriegs. Die Forschung wird von der deutschen und der schwedischen Regierung sowie einigen internationalen Klimaschutz-Institutionen gefördert, erhebt aber nicht den Anspruch einer wissenschaftlichen Publikation im klassischen Sinne – es gibt also keinen peer-review, also keine Bewertung durch unabhängige Gutachter desselben Fachgebiets.
Der Untersuchung zufolge lagen die Treibhausgasemissionen der ersten zwei Kriegsjahre bei 175 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente. Das entspreche etwa den Emissionen eines industrialisierten Landes wie den Niederlanden pro Jahr oder aber 90 Millionen neuen Verbrenner-Pkw auf den Straßen, bilanzieren die Forschenden. In den ersten Kriegsmonaten sei der Großteil der Emissionen durch die großflächige Zerstörung der zivilen Infrastruktur verursacht worden, die einen umfangreichen Wiederaufbau nach dem Krieg nötig macht. Nach zwei Jahren Krieg, so das Forschungsteam, stamme der größte Teil der Emissionen aus einer Kombination aus Kriegsgeschehen, Flächenbränden und Schäden an der Energieinfrastruktur.
Um die Emissionen von Kriegen zu bewerten, muss man also nicht nur die akute Phase betrachten, sondern auch die Nachwehen. Der Untersuchung zufolge werden rund 32 Prozent der kriegsbedingten Emissionen durch den Wiederaufbau verursacht. Um die zerstörten Gebäude, Verkehrswege, Industrieanlagen (bis Februar 2024 gut neun Millionen Einheiten) wieder neu zu bauen oder instandzusetzen, braucht es energieintensive Baumaterialien wie Beton und Stahl, die auch transportiert werden müssen. Auch zerstörte Maschinen und Fahrzeuge, die ersetzt werden müssen, sind in der Bilanz berücksichtigt. Die Kriegshandlungen an sich seien der zweitgrößte Faktor, so die Forschenden. Sie machen demnach 29 Prozent der Emissionen aus, wobei allein für den Treibstoff für Militärfahrzeuge und Flugzeuge insgesamt 44,5 MtCO2e anfallen. Dazu kommen außerdem die Belastungen durch Artillerie, Minen, Bomben, Granaten und Munition – sowohl bei der Herstellung als auch beim Einsatz im Krieg. Außerdem betrachten die Forschenden auch militärische Bauwerke auf beiden Seiten, wie Schutzmauern, Panzersperren und Schützengräben. Insgesamt beziffert das Forschungsteam die Emissionen für den Bereich der Kriegshandlungen auf 51,6 Millionen Tonnen CO2e.
Ähnliche Analysen gibt es auch für den Krieg in Gaza im Nahen Osten. Ein Forschungsteam aus Großbritannien und den USA hat etwa
die Emissionen der ersten beiden Monate errechnet. Und allein die seien größer gewesen, als der jährliche CO2-Fußabdruck von mehr als 20 der durch den Klimawandel gefährdetsten Länder der Welt. Insgesamt beziffern die Forschenden den Ausstoß in den ersten 60 Tagen des Kriegs auf 281.000 tCO2e. Der Großteil davon (mehr als 99 Prozent) sei auf die Luftangriffe und die Bodeninvasion Israels zurückzuführen. Die im selben Zeitraum auf Israel abgefeuerten Hamas-Raketen hätten etwa 713 Tonnen CO2 erzeugt. Allerdings sind in der Untersuchung nur die Emissionen von Flugverkehr und Kriegsgerät eingerechnet. Andere Aspekte wie die Waffenproduktion oder ein späterer Wiederaufbau wurden nicht berücksichtigt.