Entsprechend groß ist der Anreiz zum Überkonsum, der zwar auch bei anderen Händlern vorkommt, mit Temu und der Zusammenstellung psychologischer Mechanismen aber eine neue Dimension erreicht:
Bereits Ende 2023 ist die Anzahl von Paketen aus China sprunghaft angestiegen und hat sogar für Probleme bei der Luftfracht gesorgt. Die
Agentur Reuters berichtete Anfang 2024, dass laut Daten des Luftfracht- und Luftfahrtberatungsunternehmen Cargo Facts Consulting allein Temu etwa 4.000 Tonnen täglich verschicken würde (selbst bei großen Firmen wie Apple sind es "nur" etwa 1.000 am Tag, Amazon dürfte aber locker darüber liegen). Zusammen mit den Waren anderer Asienanbieter wie Shein, Alibaba und Tik Tok seien das 100 Frachter vom Typ Boeing 777 täglich.
Frachter, die nicht mal schnell zusätzlich zur Verfügung standen, auf die Temu aber derzeit noch angewiesen ist. Denn das Unternehmen hat keine eigene Lagerlogistik (auch, wenn derzeit in den USA eine aufgebaut wird), sondern fungiert nur als Vermittler zwischen Kunden und Verkäufer und kann deswegen massiv Kosten sparen. Kurze Lieferzeiten sind deshalb nur mit viel Produktionsdruck und Flugverkehr möglich. Und das zu einem hohen Preis für das Klima, denn allein, dass die Waren statt per Schiffscontainer per Flugzeug kommen, sorgt für einen 50-fach höheren CO2-Ausstoß, sagt Martin Franz, Wirtschaftsgeograph an der Universität Osnabrück,
im ZDF.
Verzichten kann Temu aber nicht so einfach: Zu lange Lieferzeiten können dazu führen, dass die Stimmung des Käufers kippt, so Nadja Hirsch vom Institut für Klimapsychologie. Für ein Unternehmen, das nicht durch Produktqualität glänzen kann, sondern bei dem die Dopaminausschüttung vor allem beim Kauf selbst geschieht, ist das überlebenswichtig. Und ebenfalls etwas, was Temu von anderen Billiganbietern unterscheidet.
Für Nadja Hirsch macht die Plattform aus rein psychologischer Sicht alles richtig: „Da werden alle Register gezogen, alle Mechanismen genutzt. Es gehört eine gewisse Portion Reflektiertheit dazu, um sich da nicht auch reinziehen zu lassen.“ Und genau damit lässt sich auch ein eigentliches Paradox erklären.