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#148
vom 5. Juli 2024

Jedem Städtchen seinen Spielzeug-Flughafen?

von Florian Zinner
Hallöchen.

Manchmal reicht es halt nicht, dass man sowas wie sein staatlicher Eigenbetrieb ist – und das Erreichen selbstgesteckter Ziele mehr oder weniger in der eigenen Hand hat. Eine bessere körperliche Verfassung geht nur mit Sonderzuschüssen an Leibesübungen. Eine bessere geistige nur durch Literatursubventionen. Und ein vorzeigbares Zuhause nur mit zeitweiligen Reinigungsbeihilfen – und zwar auch die Ecke rechts unterm Schreibtisch, die war bei mir neulich mal wieder dran. 

Im Leben gibt es sie oft, diese Dinge, die stark erwünscht sind, aber aufgrund von geringer Nachfrage keine Selbstläufer. Der Einzelhandel in den Innenstädten. Das Fernsehprogramm von ARTE. Und schließlich: Regionalflughäfen.

Bei letzteren stellt sich die Frage, wohin die Reise geht. Also auf den Abflugtafeln steht fast keine mehr und ohne Zuschüsse haben die mitunter modernen Hallen sowieso keine Zukunft. Eben kein Selbstläufer. Aber ein cooler kleiner Airport am Stadtrand ist erwünscht. Und zwar trotz Klimakrise. Kann ja nicht sein – oder doch?

ZAHL DER WOCHE

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… Grad zu warm war der Juni 2024 in Deutschland, verglichen mit dem ohnehin schon wärmeren neuen Klimamittel der Jahre 1991 bis 2020. Das zeigt: Fakten und gefühlte Wahrheiten (kühl-nasser Juni!) klaffen bei Wetter und Klima dann doch gern mal auseinander. Und es zeigt auch: Die Klimagegenwart steht ganz im Zeichen der Extreme.

Teure leere Airports: Ja muss das denn?

Da geht’s den Mitteldeutschen Flughäfen also wie dem Mitteldeutschen Rundfunk: So um die 150 Millionen Euro fehlen in den nächsten Jahren für eine gesicherte Finanzierung. Im Falle der Flughäfen – der Plural bezieht sich auf Dresden DRS und Leipzig-Halle LEJ – soll es von staatlicher Seite eine kräftige Finanzspritze geben, hundert Millionen Euro an Steuergeld schießen die Länder Sachsen und Sachsen-Anhalt den Airports zu. Während LEJ als (durch stattliche staatliche Subventionen aufgebauter) zweitgrößter Frachtflughafen Deutschlands die große weite Welt anfliegt, erfüllt DRS repräsentative Funktion für die stolze Landeshauptstadt und leistet die entsprechende Infrastruktur für die Elbeflugzeugwerke.

Der Rest ist schnell erzählt: Ein paar mühsam erkämpfte Zubringerflüge zu den internationalen Hubs in Frankfurt, München, Zürich. Und der übliche Ferienflieger-Kanon zu Warmwassergebieten um Palma, Antalya oder Hurghada. Airports mit ebenfalls klanghaften Bindestrichnamen wie Erfurt-Weimar, Kassel-Calden oder Rostock-Laage bieten ein mitunter noch deutlich ausgedünnteres Reiseprogramm. Was hält Politikerinnen und Politiker also bei der Stange, einen klimaschädlichen Transportzustand künstlich zu verlängern? Und das Geld in Flugplätze zu investieren, die weite Teile des Tages ähnlich gut besucht sind wie die zentrale Mongolei?
Kurzer Blick auf die Einsteiger: Während sich die internationalen Flüge seit Corona rasant erholt haben, sind die innerdeutschen Verbindungen schon lange auf gleichbleibend niedrigem Niveau. Fliegen ist in Deutschland eben ein Urlaubsthema.

Dass man die Bedeutung von Flughäfen an ihrem Passagierbetrieb misst, sei aber ein ganz offensichtliches Missverständnis, mit dem der Luftverkehrsökonom Sven Maertens gern aufräumen möchte,„weil wir es hier auch in erster Linie mit allgemeiner Luftfahrt, also Schulflüge, Geschäftsflüge, medizinische Transporte, Arbeitsflüge und so weiter zu tun haben.“ Maertens forscht am Institut für Luftverkehr des Deutschen Zentrums für Luft und Raumfahrt (DLR) und bringt neben Passagierinnen und Passagieren sowie Fracht die Variable Flugbewegungen ins Spiel. Wenn man die beachtet, fallen die Unterschiede nicht mehr ganz so massiv ins Gewicht, zwischen den Regionalflughäfen und den Großen. Die lagen vergangenes Jahr in Dresden bei 20.000 (900.000 Fluggäste) in Leipzig bei 80.000 (2,1 Millionen Fluggäste) und, zum Vergleich, in Hamburg bei 120.000 (13,6 Millionen Fluggäste).

Die Finanzspritzen sind also auch Zuschüsse in die mehr oder weniger notwendige Infrastruktur. „Über die Höhe lässt sie natürlich trefflich streiten“, sagt der Luftfahrtforscher Hartmut Fricke von der TU Dresden, der auch das Amt des sächsischen Luft- und Raumfahrtkoordinators bekleidet. „Aber dass grundsätzlich Verkehrsinfrastrukturen, die auch der Daseinsfürsorge dienen, Unterstützung brauchen, ist sicher unvermeidbar in dem Finanzierungsmodell, das wir in Deutschland fahren.“ Mit Frankfurt und München gibt es tatsächlich nur zwei Flughäfen, die es eigenwirtschaftlich schaffen, was bedeutet, dass auch große Airports wie Berlin-Brandenburg und Düsseldorf auf Subventionen angewiesen sind. Zuschüsse sind dabei nicht gleich Zuschüsse: Neben Beihilfen für Investitionen und Reparaturen (Stichwort: Infrastruktur) gibt es auch Betriebskostenzuschüsse. Kritische Stimmen sehen hier eine Wettbewerbsverzerrung, weil die Airports im freien Markt nicht wirtschaftlich wären.

Regionalflughafen: „Must have“ oder „nice to have“?

Deren Daseinsberechtigung wird oft mit ihrer wirtschaftlichen Strahlkraft in Verbindung gebracht. Und tatsächlich: Eine Untersuchung von Hartmut Fricke zeigte vor der Corona-Pandemie, dass für 200 Unternehmen im Raum Dresden der Airport ein „must have“ darstellte, auch wenn die Airlines nur magere Fluggastzahlen verzeichnet haben. Wie sinnvoll ein Regionalflughafen ist, lässt sich aus Sicht von Frickes Kollege, dem Verkehrswissenschaftlers Georg Hirte, nicht pauschal sagen. Hirte forscht an der TU Dresden auf den Gebieten Verkehrspolitik und Raumwirtschaft und betont, dass dazu auch Daten erhoben werden müssten, wer da eigentlich ins Flugzeug steigt und nicht wie viele es sind.

Für den Personenverkehr sieht der die Bedeutung von Regionalflughäfen hinsichtlich der Schienen- und Straßenanbindung dann eher als „nice to have“. So zum Beispiel in Erfurt, ein Flughafen mit unter 6000 Flugbewegungen im vergangenen Jahr, am Rande einer Stadt mit einer exzellenten Schienenanbindung an die Großflughäfen in München, Frankfurt und Berlin.
Für den Flughafen gab es deshalb die Rote Karte, in einer Studie des Forums Ökologisch-soziale Marktwirtschaft aus dem Jahr 2020, das ihm wie vielen anderer deutschen Airports den Empfang „unverantwortlicher Subventionen“ attestierte.
Die Untersuchung zeigt aber auch: Die Bahnfahrt zum nächstgrößeren Flughafen ist vielerorts zumutbar. Gerade Airlines wie Lufthansa hegen aber ein Interesse am eigentlich wenig lukrativen Zubringerverkehr zu den Hubs, zum Beispiel nach Frankfurt. Die Betreiber wollen die Fluggäste schlichtweg so früh wie möglich in der Kiste haben, was durch eine individuelle Anreise nicht gegeben ist, sagt Hartmut Fricke. Das ermögliche gerade bei den wertvollen Langstreckenflügen einen frühzeitigen Überblick, wer wirklich mitfliegt. Zumindest zum Teil gibt es hier schon Kooperationen mit der Deutschen Bahn.

Wie verzichtbar ein Flughafen ist, ist also auch immer eine Frage der Alternativen. So kritisiert Greenpeace zum Monatsbeginn, dass europäische Orte viel besser mit dem Flugzeug als der Schiene verbunden seien. Von tausend untersuchten Strecken könnten nur zwölf Prozent mit Direktzügen zurückgelegt werden. Auch mit der bestehenden Infrastruktur sei da deutlich mehr drin.
😏

Regionalflughäfen dicht – rettet das das Klima?

Dass ein geschlossener Regionalflughafen einen großen Beitrag zum Klimaschutz leistet, ist ohnehin mehr Wunsch als Gegenwart. Obwohl deutsche Regionalflughäfen 2019 immerhin mit einer Klimawirkung von über vier Millionen Tonnen CO2 zu Buche schlugen (ohne Leipzig). Die Emissionen der Luftfahrt im Europäischen Wirtschaftsraum, also oftmalige Ziele an kleinen Airports, unterliegen – anders als interkontinental – dem europäischen Emissionshandel, betont Georg Hirte. „Das heißt, wenn die nicht mehr fliegen würden, die Flugzeuge auf diesem Flughafen, dann würde sich an CO2-Emissionen innerhalb der EU überhaupt nichts ändern.“ Emissionen würden sich nur verlagern. Ein Fakt, den auch Sven Maertens vom DLR betont und auf die Langstrecke als Emissionsschleuder verweist: „Die Langstrecken ab 3000 Kilometern, die machen neun Prozent der Abflüge aus, aber 54 Prozent der CO2-Emission.“

Die Schließung eines Regionalflughafens wäre also hinsichtlich Klimaschutz vor allem ein symbolischer Akt. Eine Art Gedankenstütze, die nächste Flugreise noch einmal zu überdenken, weil der bequeme Ferienflieger eben nicht mehr vor der Haustüre steht. Und ein Wegweiser, der Mobilitätsgewohnheiten infrage stellt und wohin Steuergelder fließen sollen. Bei der Sanierung im Schienenverkehr fehlt es grad an allerhand Scheinchen, hört man es munkeln. Ab 2027 könnten davon einige frei werden. Eine EU-Verordnung sieht vor, dass zumindest die Betriebskostenbeihilfen für Regionalflughäfen künftig tabu sind. Was die Regelung für die deutsche Flughafenlandschaft bedeutet? In Verbindung mit den bereits jetzt stattfindenden Umlagen von Umweltkosten auf die Fluggäste und dem enger werdenden Korsett im Emissionshandel heißt es vielleicht: Fliegen wie damals, in den Fünfzigern – exklusiv und teuer.

Termine

Mittwoch, 10. Juli – online 
Gründach und Solardach verbinden? Die Verbraucherzentrale NRW zeigt im Express-Workshop in dreißig Minuten wie’s geht.
Donnerstag, 11. Juli – München/online
Die Rechtsanwältin Roda Verheyen beschäftigt sich in einem Vortrag mit der Frage, ob Klimaklagen ein Weg zu mehr Klimagerechtigkeit sind. 
14. bis 20. Juli – Fichtelberg
Das Bergwaldprojekt sucht noch 14- bis 16-Jährige, die Lust auf Camping und Lagerfeuer in der Natur haben und sich ein paar Tage für stabile Wälder und Artenvielfalt engagieren wollen.

Klima und Menschheit

Erneuerbare Energien decken in der ersten Jahreshälfte 58 Prozent des Strombedarfs
… und damit sechs Prozentpunkte mehr als im ersten Halbjahr 2023. Das geht aus Hochrechnungen des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg und des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) hervor, berichtet der Deutschlandfunk. Ein besonders starker Anstieg sei bei der Sonnenenergie zu verzeichnen. Mit etwas weniger als der Hälfte komme die meiste erneuerbare Energie aus Windkraft an Land. Weitere Quellen sind Biomasse, Wasserkraft, Windkraft auf See und Stromerzeuger aus Siedlungsabfällen. Von Seiten des BDEW hieß es, trotz der erfreulichen Werte sei die Zahl wasserstofffähiger Gaskraftwerke wichtig, um für Systemdienstleistungen eine gesicherte Versorgung in Zeiten ohne Wind und Sonne zu gewährleisten. 
Wegen KI: Google könnte selbstgesteckte Klimaziele verfehlen
Das zeigt der kürzlich veröffentlichte Umweltbericht des Unternehmens. Wie ifun berichtet, verfehle Google das Ziel, ab 2030 klimaneutral zu arbeiten, derzeit weit. So seien die Emissionen im vergangenen Jahr um 13 Prozent gestiegen. Grund sei der erhöhte Energiebedarf durch KI. Analysen gehen davon aus, dass eine KI-Anfrage derzeit zehnmal so viel Strom verbrauche wie eine reguläre Suchanfrage.
Diskussion um Preisanpassung des 49-Euro-Tickets – Ramelow: Sondervermögen für Bahn
Die Äußerung von Bundesverkehrsminister Christian Lindner (FDP) zur künftigen Preisgestaltung des Deutschlandtickets hat für Widerhall und Beipflichtung gesorgt. Christian Lindner sagte in der Welt am Sonntag, die Politik müsse irgendwann entscheiden, ob sie den Preis von 49 Euro halten oder in die Schiene investieren wolle. So schloss auch Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) eine Teuerung nicht aus und drängte auf eine schnelle Anpassung des Tickets. Er verwies auf fehlende Mittel bis Anfang des nächsten Jahrzehnts, ohne die die Länder den Schienenpersonennahverkehr nicht im derzeitigen Umfang aufrechterhalten könnten. SPD-Fraktionsvize Detlef Müller entgegnete, das Deutschlandticket dürfe als absolutes Erfolgsprojekt bei den Haushaltsverhandlungen nicht zur Disposition stehen. NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer nannte Lindner indes selbst als größtes Problem für das Deutschlandticket, weil die Länder seit Monaten auf die Einlösung der finanziellen Zusagen des Bundes warteten. Ihnen wurde zugesagt, nicht abgerufene Mittel aus dem Jahr 2023 ins aktuelle Jahr übernehmen zu können. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) warf indes einen neuen Vorschlag in den Ring: Durch ein vom Bundeshaushalt unabhängiges und an die Bahn gekoppeltes Sondervermögen solle die Zukunft des Schienenverkehrs gesichert werden. Ein Sondervermögen gibt es bereits für die Erneuerung der Bundeswehr. Nach Auffassung des Fahrgastverbands Pro Bahn seien zehn Euro mehr die absolute Obergrenze für das Ticket. 
EU-Emissionshandel hat auch gesundheitlichen Nutzen
Der Klimaschutz in der Europäischen Union nutzt nach Angaben von Hamburger Forschenden auch direkt der Gesundheit. So habe unter anderem der Emissionshandel in der EU zu einem Rückgang von Schwefeldioxid, Feinstaub und Stickoxiden in der Luft geführt. Die geschätzten gesundheitlichen Vorteile könnten dem Team zufolge hunderten Milliarden Euro entsprechen. Bei der politischen Bewertung sollten daher die Zusatznutzen für die Krankenkassen mit eingepreist werden. Diese seien unmittelbar zu spüren und würden zu einer höheren Akzeptanz der Klimamaßnahmen führen, schließen die Forschenden. Der Europäische Emissionshandel ist eine zentrale Klimaschutzmaßnahme und ein System zu Kauf, Verkauf und Deckelung von Emissionsrechten. Infos bei MDR WISSEN

ARD, ZDF und DRADIO

Wie wir Mode fair und grün machen

Gute Nachrichten vom Planeten: Langsam setzt ein Umdenken bei "Fast Fashion" ein. Forscherinnen, Aktivistinnen und Unternehmerinnen versuchen, umweltfreundliche Wege einzuschlagen.

Klimacheck: So schneidet Bier ab

Update Erde erklärt, warum Bier trinken meistens klimafreundlicher ist als Wein.

Klima ahoi

Frachter und Kreuzfahrtriesen sind wahre Klimakiller. Höchste Zeit für einen Kurswechsel auf den Meeren.

👋 Zum Schluss

Sie mögen Regionalflughäfen? Also, den provinziellen Charme und den stets gegenwärtigen Wunsch nach Anschluss an die große weite Welt? Fiktionale Empfehlung wäre an dieser Stelle die Serie „Check Check“ mit Klaas-Heufer Umlauf, zu sehen beim Streaminganbieter Joyn und gedreht auf dem Flughafen Kassel-Calden.

Ansonsten sei gesagt: Ein Regionalflughafen ersetzt in den meisten Fällen keine Zugverbindung, eh klar. Aber eine Zugverbindung ersetzt auch nicht unbedingt einen Regionalflughafen. Zumindest noch nicht. Die Qualität der Anbindung ist wie immer eine Frage der geografischen Ausgangslage. Nehmen wir mal das vom Fernverkehr derzeit etwas entkoppelte Jena – vom Westbahnhof schaffen Sie es zum Frankfurter Flughafen immerhin mit drei Umstiegen im Regionalverkehr. Nicht optimal, aber auch keine Nicht-Option. Nach Westerland auf Sylt sind’s im Übrigen genau so viele Umstiege. Wenn Sie wissen wollen, wie’s um Ihre Gegend so steht: Die Kolleginnen und Kollegen der Berliner Morgenpost halten ein neckisches Tool bereit, das visualisiert, wie weit Sie mit dem Deutschlandticket von wo nach wo kommen.

Passen Sie auf sich und die Welt auf, herzlich
Florian Zinner

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