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#145
vom 14. Juni 2024

Die UEFA EURO 2024: Wer gewinnt, wenn wir aufs Klima achten

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von Katja Evers
Hallo zusammen,

na, sind Sie schon im Fußballfieber? Bei mir will die Stimmung bei dieser EM ehrlicherweise nicht so richtig aufkommen. Das Einzige, was hier in Norwegen auf die EM verweist, ist mein Nachbar, der eine Girlande mit den Flaggen aller Teilnehmenden über seine Terrasse gespannt hat. 

Die Norwegische ist nicht dabei. Leute, wie meinen Nachbarn stört das nicht. Im Gegenteil: Er wäre jemand, der weite Wege auf sich nimmt, um trotzdem live dabei sein zu können. Die Stimmung zu erleben. Für das Klima ist das natürlich nicht so toll. Eine Machbarkeitsstudie des Ökoinstituts zur “klimaneutralen“ EURO 2024 sieht die An- und Abreise der ausländischen Fans sogar als Hauptfaktor der (schlechten) Klimabilanz eines solchen Events.

Und nein, ich möchte nicht mit erhobenem Zeigefinger auf die Menschen blicken, die aus aller Welt zusammenkommen und feiern. Ich will wissen: Wie müsste die EM eigentlich verlaufen, um möglichst klimaschonend zu sein? 

Erst aber wie gewohnt zur …

ZAHL DER WOCHE

2,52

… Euro kostet ein gebackener Camembert mit Preiselbeeren in der Mensa der Technischen Hochschule Nürnberg. In dieser Woche stand nun außerdem der Preis 4,14 € dort, versehen mit dem Hinweis auf die „wahren“ Kosten. Mit dieser Aktion wollten Forschende zusammen mit Studierenden des Studiengangs „Management in der Ökobranche“ die Umweltfolgekosten von Lebensmitteln für die Studierenden und Mitarbeitenden der Universität erfahrbar machen. Einberechnet waren unsichtbare Folgekosten wie etwa Treibhausgas-Emissionen, Abholzung und Grundwasserverschmutzung. 

Kosten, die die Forschenden der TH Nürnberg und der Universität Greifswald schon länger untersuchen und für alle erfahrbar machen möchten. Bereits 2023 gab es eine entsprechende Kampagne bei PENNY, bei der 9 Produkte zum „wahren“ Preis verkauft wurden (mehr dazu in unserem Klima Update #100). Anders als damals, mussten die Studierenden in dieser Woche aber nicht den höheren Preis bezahlen, sondern konnten die Information nur auf sich wirken lassen. Anonymisierte Umfragen sollen nun zeigen, ob die Kennzeichnung ihr Kauf- und Konsumverhalten beeinflusst hat.

Die etwas "grünere" EM

Es ist ein großes Versprechen von der UEFA: Die EM 2024 soll die "nachhaltigste EM aller Zeiten" werden. Andererseits waren die bisherigen Europameisterschaften auch nicht besonders nachhaltig. Die Latte hängt also nicht weit oben. 

Die EM in diesem Jahr kann man in jedem Fall als klimaschonender bezeichnen, auch wenn das nicht ganz so pompös klingt: 
Die Vorrunden finden in regionalen Clustern statt, um die Transfers zwischen den Stadien zu reduzieren. Stadien wurden nicht neu gebaut, es wird grüner Strom und weniger Einweggeschirr genutzt.

Trotzdem dürfte das Großevent alles andere als nachhaltig werden: 490.000 Tonnen CO2-Äqivalent, also den Jahresausstoß einer Stadt wie Weimar, hat das Ökoinstitut vorab in einer Studie im Auftrag der Bundesregierung berechnet. 
 
Zwar gibt es durch klimaschonende Maßnahmen noch Spielraum nach unten. Ausgerechnet der größte Faktor dieser Klimabilanz lässt sich aber am wenigsten kontrollieren. 

Verkehrt ist wieder mal der Verkehr

Der Verkehr macht etwa 350.000 Tonnen aus. Das sind mehr als zwei Drittel der vorab berechneten Klimabilanz. Und davon wiederum sind – ich habe es bereits angekündigt –die internationalen Fans die größten Sünder.

Ihre An- und Abreise macht fast drei Viertel der gesamten Bilanz für eben diesen Sektor Verkehr aus. Und das, obwohl sie in der Studie nur 32 Pozent der Gesamtbesucher ausmachen. Etwas, das sich übrigens mit den Zahlen aus der ersten Verkaufsphase der Tickets deckt (dort waren es 35 Prozent).
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Und ja, Sie ahnen es sicherlich, es sind wiedermal die Flüge. Die Lösung, die sowohl das Ökoinstitut als auch die UEFA vorschlagen: Züge statt Flüge! So könnten – je nach Zielort - allein für 2000 Zuschauer rund 3 Millionen Kilogramm CO2-Äqivalent eingespart werden. 

Lassen Sie mich das kurz in Relation setzen: Es gibt insgesamt 2,8 Millionen Stadiontickets. Für die Gruppenphase hatten sich, wie bereits erwähnt, 35 Prozent der Menschen mit Wohnsitz im Ausland für ein Ticket beworben, der Rest kommt aus Deutschland. Übertragen auf die Tickets der gesamten EM würden damit immerhin noch 980.000 Menschen aus dem Ausland anreisen. Viele sicherlich mit Fliegern. Ein enormes Einsparpotenzial, selbst wenn nur ein Bruchteil davon auf Züge umsteigt.
 
Für die EM gibt es deshalb ein vergünstigtes, mehrtägiges Bahnticket, den sogenannten Interrail-Pass, das nur in Kombination mit dem Stadionticket gilt. Sowohl als Variante für weite und kurze Strecken im Inland, als auch fürs Ausland. Es soll einen Anreiz bieten. Und ich muss sagen, ich war erstaunt, wie viele europäische Bahngesellschaften an Bord sind. Nur ist die Infrastruktur, um wirklich an die Zielorte zu kommen, teils wenig bis gar nicht vorhanden.
 
Soll heißen: Wenn der Weg zu beschwerlich ist, die Strecke zu weit, die Umstiege zu oft, dann ist es wahrscheinlich, dass die Fans doch das Flugzeug nutzen. Und das wiederum heißt: Ob die EM klimaschonend verläuft, hängt maßgeblich davon ab, welche Länder weiterkommen und wie gut ihre Fans ohne Flugzeug zu den Spielstätten kommen. 

Und ja, was soll ich sagen: Ich wollte es genau wissen und habe die Zuganbindungen überprüft. Der Einfachheit halber jeweils von den Hauptstädten aus. So viel vorab: Der Ort des jeweiligen Spiels vermasselt dem ein oder anderen sicher geglaubten Kandidaten das Spiel.
 
Höchste Zeit also, die EM einmal Schritt für Schritt mit Blick auf das Klima durchzugehen. Möge das Land mit der besten Zuganbindung gewinnen!
😏

Die Gruppenphase: (Fast) jeder ist am Zug

Unabhängig vom sportlichen Erfolg: Für die weiter weg gelegenen Länder beginnt und endet es in der Klima-EM mit der Gruppenphase. Dazu zählen Georgien, die Ukraine und Albanien. Die Strecken sind zu weit. Den Fans fehlt der Support der Bahngesellschaften, in denen allesamt der Interrail-Pass nicht gültig ist. Klare Niederlage!

Absolut spannend ist hingegen die Gruppe B. Dort kämpfen Kroatien, Italien und Spanien um ein Weiterkommen. Die Anreise-Möglichkeiten von den Hauptstädten (also die Orte, mit der vermutlich besten Anbindung) sind ähnlich. Allerdings ähnlich schlecht (teils 20 Stunden Anreise). Die Wahrscheinlichkeit, dass die Fans in den Flieger steigen entsprechend hoch. Am Ende entscheidet allein der Standort der Stadien: Kroatien gewinnt!
 
Als klare Anbindungs-Sieger gehen (neben dem im Grunde gesetzten Finalist Deutschland), die Schweiz, Tschechien und Belgien aus der Gruppenphase.
 
Das einzige Match, in dem es tatsächlich unentschieden bleibt, ist das Spiel der Niederlande gegen Frankreich in Leipzig. Das kann Frankreich am Ende nur wegen einer kürzeren Wegstrecke in allen Matches der Gruppe für sich entscheiden. Unser Nachbarland Österreich, das sonst eigentlich gute Karten hätte, ist hingegen aufgrund der starken Gruppe aus anderen Nachbarländern und ungünstig gelegenen Stadien (zweimal Berlin und einmal Düsseldorf) überraschenderweise raus. 

Die K.O.-Runden: Teils nur knapp verpasst 

Die Spreu ist weg, der Weizen bleibt. Könnte man meinen. Doch im Klima-Achtelfinale sind die meisten Spiele langweilig eindeutig. Oder umgekehrt.

Haushoch gewinnt Frankreich gegen Portugal: Kürzere Fahrzeit, weniger Umstiege zum Stadion in Leipzig und damit ein größerer Anreiz den Zug zu nehmen. Richtig knapp wird es nur bei Kroatien gegen Ungarn. Die Strecke nach Köln ist für beide ähnlich. Einzig die Menge an Zugverbindungen lässt Ungarn am Ende als Sieger dastehen. 

Ganz anders ist das im Viertelfinale. Hier liegen alle eng beieinander. Vor allem die Schweiz und England bieten sich einen erbitterten Kampf um Fahrt- und Umstiegszeiten. Es geht in die Verlängerung. Die Anzahl der Zugverbindungen gibt am Ende auch hier den Ausschlag: Mehr Treffer landet die Schweiz. 

So weit zu kommen und dann am Ende auf Deutschland zu treffen ist natürlich fies. Denn als Gastland spielt es in einer anderen Liga (das Ökoinstitut schätzt durchschnittlich 160 km pro Fan und Strecke). Insofern hat die Niederlande einfach nur Pech.
 
Spannend ist im Halbfinale also nur das Match Schweiz gegen Belgien. Oder auch nicht, denn von Belgien aus, kommt man deutlich leichter mit dem Zug nach Dortmund. Klarer Standortvorteil.
 
Und damit haben wir unser KLIMA-FINALE:

Deutschland trifft auf Belgien.
Falls Sie noch Wetten abschließen wollen 😉

Termine

Sonntag, 16. Juni – Leipzig
Die Ökolöwen laden zur Leipziger Ökofete ein. Die Umweltverbrauchermesse stellt den Höhepunkt der Leipziger Umwelttage dar. Es locken Stände mit Informationen, Fairtrade-Produkten und Bio-Speisen sowie ein Kulturprogramm für die ganze Familie. Infos hier
Sonntag, 16. Juni – Leutratal bei Jena
Der NAJU lädt zum Hüttenfest ein. Neben Einblicken in die rustikale Gruppenunterkunft warten im Außenbereich spannende Aktionen und Mitmachangebote besonders auf naturbegeisterte Familien mit Kindern. Weitere Infos
Bis Oktober – Görlitz
Das Senckenberg Museum für Naturkund lockt mit einer Sonderausstellung für Artenvielfalt. Besuchende erfahren, welche Faktoren die Biodiversität bedrohen und werden eingeladen, Lösungsmöglichkeiten in interaktiven Elementen zu erforschen und eigene Eindrücke in der Ausstellung zu teilen. Mehr dazu

Klima und Menschheit

Vom Menschen verursachte Lachgas-Emissionen gestiegen 
Und zwar global um 40 Prozent seit 1980. Das geht aus einer Analyse des Forschungsverbundes Global Carbon Project unter Leitung des Boston College in den USA hervor. Besonders in den zuletzt untersuchten Jahren 2020 und 2021 waren die Werte mit etwa zehn Millionen Tonnen menschengemachtem Lachgas pro Jahr besonders hoch. Laut Studie ist die Landwirtschaft mittlerweile für 74 Prozent des menschlichen Lachgas-Ausstoßes verantwortlich. Vor allem in Ländern, in denen die Bevölkerung um viele Millionen wuchs, stiegen auch die Lachgas-Emissionen, darunter China und Indien. In Europa hingegen ging der Lachgas-Ausstoß im selben Zeitraum zurück. Gründe dafür sind den Autoren zufolge unter anderem geänderte Prozesse in der chemischen Industrie und ein effizienterer Düngemittel-Einsatz.
In Jena entsteht Deutschlands erste Moos-Professur 
und drei andere zur Pflanzenvielfalt. Und zwar am neuen Senckenberg-Institut für Pflanzenvielfalt, das in dieser Woche gegründet wurde. Ziel ist es unter anderem mehr über die Prozesse herausfinden, die zur Veränderung einer Pflanzenart führen. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei dem Moos: "Es gibt viel zu wenig Moos-Forschung, wenn ich überlege, wie wichtig Moose auch für Ökosysteme sind", so die Institutsleiterin Christine Römermann. "Die spielen eine ganz große Rolle für die CO2-Fixierung, zum Beispiel. Wir haben eine ganz wichtige Moos-Sammlung, die zu den fünf wichtigsten weltweit gehört.“ Wer die Professur für Ökologie und Evolution der Moose bekommt, steht derzeit noch aus.
Parteien sprechen auch nach Extremwetter nicht öfter vom Klimawandel
Das legt eine neue Untersuchung im Fachblatt Nature Climate Change nahe. Demnach würden Parteien nach Naturkatastrophen in Pressemitteilungen nicht verstärkt zu Klima- und Umweltthemen kommunizieren. In der Studie wurden insgesamt 260.000 Pressemitteilungen von 68 Parteien aus neun Ländern dahingehend untersucht, inwieweit Klima und Umwelt nach Extremwetterereignissen thematisiert wurden. Der Untersuchungszeitraum fällt mit 2010 bis 2020 in das letzte Drittel des "neuen Klimamittels" und damit in die Zeit jüngster klimatischer Veränderungen, endet allerdings vor der Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen im Juli 2021. Das Ergebnis steht im Gegensatz zu Untersuchungen, die zeigen, dass Menschen nach Extremwetterereignissen sensibler auf Umweltfragen reagieren, wenn auch nur kurzzeitig. Mehr zu den Hintergründen erfahren Sie hier

ARD, ZDF und DRADIO

Den Transport besser machen 

Wie, das zeigt die Doku anhand mehrerer Positivbeispiele. 

Profisport und Klimaschutz

Wie das zusammenpasst, hinterfragt das Klima-Magazin Klimazeit.

Ist der Green Deal tot?

Dieser Frage widmet sich die Podcastfolge im Nachgang der Europawahl.

👋 Zum Schluss

Falls Sie nun zwischendurch mit den Augen gerollt haben: Natürlich ist der reine Blick auf die Zugverbindungen zu einfach gedacht. Zum einen gibt es auch die Möglichkeit Fernbusse zu nutzen. Warum es dafür keine Vergünstigungen gibt? Das müssen Sie die UEFA fragen.

Zum anderen sind natürlich nicht alle internationalen Fans auch aus dem Land, das spielt. Mein Nachbar ist der beste Beweis. Allein aus den USA, Kanada, China und Mexiko kamen zahlreiche Ticketbewerbungen. Alles Länder, die fürs Klima eigentlich direkt ganz auf die EM vor Ort verzichten müssten.  Es gibt allerdings zumindest für jede Spielphase bestimmte Ticket-Kontingente, die nur den Fans der jeweiligen Mannschaften vorbehalten sind.
 
Selbst dann hat aber jeder das gute Recht, selbst zu entscheiden, wie er an- und abreist. Soll heißen, am Ende hängt es wieder an jedem Einzelnen von uns. Daran, ein Bewusstsein für Klimafragen zu entwickeln.
 
Dass so ein großer Verband wie die UEFA bei so einem großen Event übers Klima spricht, hilft in jedem Fall dabei. Selbst wenn es am Ende doch nur Greenwashing sein sollte. 

Liebe Grüße
Katja Evers

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