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Huhn steht auf Kopf eines Mannes mit Rauschebart und Sonnebrille im Abendlicht, Text Das MDR Klima-Update
Ausgabe #134
vom Freitag, 29. März 2024

Nicht nur zu Ostern: Flatulieren auch Hühner das Klima warm?

junger Mann mit schwarzer Basecap, runder Brille und Bart
von Florian Zinner
Hallöchen.

Wissen Sie, was ich bemerkenswert finde? Während Weihnachten ohne Galionsfigur aus dem Tierreich auskommt, sind es zu Ostern gleich zwei. Der Feldhase, ein bezauberndes Wesen, das nach aktuellem wissenschaftlichen Konsens aber nicht imstande ist, die fürs Fest notwendigen Eier zu legen. Und diesen feierlichen Aspekt eben auslagern muss, ans Huhn, Tier Nummer zwei.

Hühner sind so halb die perfekten Ostertiere. Sie sind in der Lage, Objekte, die ihnen weggenommen und versteckt wurden, nach wie vor in ihrer Gegenwart zu wissen. Allerdings können sie nichts Süßes schmecken. Ihnen steht also womöglich der Sinn nach einer Ostereiersuche, aber kaum nach dem Verzehr von Schokoladenhohlkörpern. Aber wussten Sie, dass Ostern für uns zwar bunt sein mag, für Hühner aber am buntesten? Die Vögel sehen mehr Farben als wir, sogar ultraviolett. Wie elegant sich ein ultraviolettes Ei doch im Nest machen würde.

Hühner können träumen, bringen ihren Zöglingen noch im Ei die Hühnersprache bei und sind von ihrer geistigen Veranlagung mit Hunden und Katzen gleich auf. Vielleicht können Sie auch deshalb unter hunderten scheinbar gleichen Artgenossen ihre Freunde erkennen – versuchen Sie das gleichermaßen mal beim nächsten Polterabend. Nun ist unser Verhältnis zum Geflügel ja ein durchwachsenes. Oder sagen wir: nicht immer eins auf Augenhöhe. Kein neues, aber ein beständiges Problem. Worüber aber selten gesprochen wird: Wie sieht es eigentlich mit der Klimaverträglichkeit der gefiederten Freunde aus? Oder anders: Rülpsen (und furzen) Hühner auch so viele Treibhausgase?

#️⃣ Zahl der Woche

100

… Prozent – so hoch darf der Anteil von nicht mehr ganz so appetitlichem Frittenfett für die Dieselherstellung künftig sein. Das gilt auch für andere Abfallstoffe, ein entsprechendes Gesetz wurde vergangene Woche vom Bundestag abgesegnet. Bislang durften Abfälle nur beigemischt werden. Solcher Biodiesel verursacht weniger CO2 als konventioneller Diesel, fraglich ist jedoch, in welchem Umfang er angeboten werden wird, schreibt die FAZ. Zumindest der Verband der deutschen Automobilindustrie jubelt schon mal. Im Schienenverkehr ist Abfalldiesel bereits im Personen- und Güterverkehr im Einsatz.

Zum Osterfest ans 🥚-ngemachte!

Gleich vorab: Georg Zamecnik isst sehr gerne Eier. Und zwar nicht nur, weil gerade Ostern ist und sich das eben so gehört. Und obwohl der Vegetarier und Ökologe aus Wien durchaus eine klare Haltung zum Konsum tierischer Produkte hat: „Wenn man da mit Tierwohl argumentiert: Also auf Eier sollte man grundsätzlich verzichten.“ Da reicht der Kanon der Missstände vom Kükentöten über die viel zitierten Haltungsbedingungen bis hin zum absurd kurzen Leben, das so einem Eier-Huhn zugestanden wird. Das könnte theoretisch ein Jahrzehnt alt werden – eine Zeit, in der es freilich nicht permanent Eier legt. Nach ein bis anderthalb Jahren ist Schluss für Legehennen, bei Masttieren sind es nur drei Monate.

Der Konsum von Eiern ist also streng genommen nicht vegetarisch, weil eine Schlachtung nach kurzer Zeit zur Eierwirtschaft dazugehört. Fleisch ist da ehrlicher und Verbrauchende wissen von vornherein, worauf sie sich einlassen. Kurz hinter Schweinefleisch ist Hühnerfleisch das beliebteste der Welt, der Konsum ist etwa doppelt so hoch wie bei Rindfleisch. Zum Glück – möchte man fast sagen: Während auf ein Kilo Rindfleisch mindestens 15 Kilogramm CO2-Äquivalente anfallen und es auch mal hundert sein können, sind es beim Huhn nur zwei bis fünf. Das Schwein liegt mit fünf bis zehn Kilo dazwischen. „Die Hühner sind Maschinen, könnte man sagen“, meint Georg Zamecnik, der sich am österreichischen Standort des Forschungsinstituts für biologischen Landbau (FiBL) mit Nachhaltigkeitsanalysen beschäftigt. Maschinen, nicht nur, weil sie in Mast- und Legebetrieben prinzipiell diese Anmutung haben, sondern weil Hühner so effizient sind: Für zwei Kilo Futtermittel gibt’s ein Kilo Fleisch. Bei Schweinen lautet das Verhältnis vier zu eins und bei Rindern sogar nur zehn zu eins.

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Fast 16 Milliarden Eier wurden 2022 allein in Deutschland produziert, inklusive Eier, die für die Brut vorgesehen sind – Tendenz steigend. Diese Zahl untermauert wohl endgültig, dass Hühner mehr Maschinen als Tiere sind. 230 Eier pro Kopf haben die Deutschen im selben Jahr vermampft. Das bedeutet nicht, dass für die meisten Bundesbürgerinnen und -bürger offenbar einmal im Monat Ostern ist oder an zwei Dritteln der Tage ein Frühstücksei auf dem Tisch landet. Sondern zeigt, dass Eier insbesondere in der verarbeitenden Industrie einen hohen Stellenwert genießen. Nur die Hälfte landet als Frischeier auf dem Tisch. Lassen Sie sich im Übrigen nicht von den im Supermarkt reichhaltig drapierten Bio-Eierpackungen täuschen: Darauf entfällt nur jedes siebte Ei, nicht ganz ein Viertel aus Freilandhaltung und zwei Drittel stammen aus Bodenhaltung und damit aus zweifelhaften Umständen. Sieht man ja auch nicht, auf der bunten Kekspackung.

Wie steht’s um die Klimabilanz von Eiern?

Die Klimabilanz pro Kilo Ei sieht etwas besser aus als die pro Kilo Hühnerfleisch. Zamecnik und Team gehen von zwei bis drei Kilo CO2-Äquivalente pro Kilo Eier aus. So und jetzt Taschenrechner raus: Bedenkt man ein Gewicht von sechzig Gramm der Gewichtsklasse M, bringen die 16 Milliarden Eier 880 Tausend Tonnen auf die Wage. Macht 2,2 Millionen Tonnen CO2. H🥚dewitzka!

Oder anders gesagt: Es wäre an sich eine gute Idee, da was einzusparen. Für ihre Ernährung benötigen Hühner etwa 15 Prozent proteinhaltige Nahrung. „Das wird in den meisten Fällen, weil es erfahrungsgemäß am besten funktioniert, mit Soja abgedeckt“, erklärt Georg Zamecnik, „und da sind wir auch schon beim größten Hebel, der die Futtermittel betrifft.“ Die Produktion der Nahrungsmittel macht mit siebzig bis achtzig Prozent den größten Anteil in der Klimabilanz der Eier aus. Und hier ist wiederum das verfütterte Soja ausschlaggebend, das zum großen Teil aus Nord- und Südamerika, vor allem aus Brasilien stammt. Die geänderte Landnutzung – wie Regenwaldabholzung – durch den Sojaanbau und der Transport aus Übersee bescheren dem Ei eine Klimabilanz, die es so nicht haben müsste.

Grafik zeigt durch zwei veschieden große Eier, dass pro Kilo deutsches Durchschnitts-Ei 2 bis 3 Kilo CO2-Äquivalent anfallen, bei einem Ei aus Haltung mit regionalem Soja-Futter 1,5 Kilo
Eine Alternative ist der Bezug von Soja aus der Region, etwa aus Österreich oder Bayern und Baden-Württemberg. Georg Zamecnik und Team haben für einige landwirtschaftliche Betriebe ausgerechnet, wie sich das auf die Klimabilanz der Eier auswirken würde. Und siehe da: Teilweise ist der Ausstoß an Treibhausgasen um die Hälfte zurückgegangen. Alternativ ließen sich aber auch alternative Futtermittel wie Sonnenblumenschrot einsetzen.
Und was ist nun mit den Verdauungsemissionen? Und mit Bio?
Zurück zur eingangs gestellten Frage: Würde man sich bei der Rinderhaltung nur um die durch Futtermittel verursachten Emissionen kümmern, wäre das erst die halbe Wahrheit, der verdauungsbedingte Methan-Ausstoß ist eine relevante Treibhausgasemission. Aber wie steht’s denn da ums Huhn? Nun, zwar emittiert das gackernde Federvieh ausgerechnet Lachgas, die Menge ist jedoch im Vergleich zum Methan-Problem in der Rinderzucht unerheblich, räumt Georg Zamecnik ein.
 
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Und eine ökologische Hühnerhaltung? Gar nicht mal so leicht zu beantworten, denn wenn Bio draufstehen soll, darf nicht Effizienz drinstecken. Effizienz spielt bei der Klimabilanzierung aber eine Rolle: Da Bio-Hühnern mehr landwirtschaftliche Fläche zugestanden wird, könnte man annehmen, dass das unterm Strich auf das Konto der verursachten Emissionen geht – ist in der Business-Class im Flugzeug schließlich auch nicht anders. Stand jetzt sei es Georg Zamecnik zufolge aber so, dass Übersee-Soja, das mit Landnutzungsänderungen in Zusammenhang steht, laut Bioverordnung gar nicht erst verfüttert werden darf. Das wertet die Klimabilanz der Öko-Eier erheblich auf. Georg Zamecnik betont zudem, die Vorteile ökologischer Landwirtschaft hinsichtlich Böden und Biodiversität zu sehen – Faktoren, die mit der Klimafrage Hand in Hand gehen.

Der wichtigste Hebel für eine klimafreundlichere Geflügelhaltung ist, welch Wunder, den Konsum von Hühnerfleisch und Hühnereiern generell einzuschränken, so Zamecnik. Und hier müsse man eben ein bisschen genauer hinschauen. Nudeln, Mayo und Jaffa-Keks enthalten weitestgehend unsichtbare Eier, die in vielen Fällen eher den Herstellern einen ökonomischen Dienst erweisen, statt uns einen kulinarischen.

Stattdessen sollten wir uns vielleicht dort aufs Ei konzentrieren, wo es in der vollendeten Schönheit seiner Form, angemalt oder auch nicht, am besten zur Geltung gelangt. Und wo es wirklich hingehört: Ins Osternest. Oder sonntags unter den selbstgestrickten Eierwärmer.

🤔 Wie viel Ei darf’s sein? Lesen Sie weiter im Schlussteil!

🗓 Klimatermine

Freitag, 5.4. – Oberlausitz

Der Verkehrsverbund ZVON lädt zum Komm'Rum-Tag. Besitzende eines gültigen Nahverkehrstickets oder eines 4-Euro-Tagestickets für Bus, Tram oder Zug erhalten vielerorts Vergünstigungen, wie etwa im Senckenberg-Museum für Naturkunde in Görlitz.

Noch bis 7.4. – bundesweit

Die Initiative Culture4Climate vergibt erstmals den „Wirkmächtig“-Preis und zeichnet damit besondere Klimaschutz-Initiativen im Kulturbereich aus. Anmeldung hier

Dienstag, 9. April – Dresden

Die Heinrich-Böll-Stiftung lädt zum Pflanzenkohle-Workshop in die Zentralbibliothek im Kulturpalast. Dabei geht es um Forschungsergebnisse aus einer städtischen Kleingartensparte und welche Vorteile Pflanzenkohle als nachhaltiger Dünger bringt. Eintritt frei, Beginn 19:30 Uhr

📰 Klimaforschung und Menschheit

Künftige Dürren: Forschende mahnen zur besseren Vorsorge

Aufatmen wäre wohl falsch: Zwar hat sich die seit 2018 in Deutschland vorherrschende Dürresituation nach dem nassen Winter in den meisten Regionen entspannt. Es gebe aber nach wie vor Defizite in tiefen Grundwasserkörpern, Schäden in Wäldern, die erst jetzt sichtbar würden, und zu niedrige Wasserstände von Seen und Kleingewässern, sagte der Hydrobiologe Dietrich Borchardt vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung Magdeburg gegenüber der taz. So sei die Forstwirtschaft dieses Jahr vermutlich aus dem Schneider, das gelte jedoch nicht für die Landwirtschaft, die vom Niederschlag im Laufe der Vegetationszeit abhänge. Die Voraussetzungen zum Jahreswechsel 2017/2018 seien ähnlich gewesen wie jetzt. Andreas Marx vom UFZ-Standort Leipzig betont, dass man mit künftigen Dürreereignissen rechnen müsse. Das zeigt auch ein Blick auf das langjährige Mittel: Deutschland fehlen immer noch knapp zehn Milliarden Tonnen im Gesamtwasserspeicher, hat das Deutsche Geoforschungszentrum in Potsdam ermittelt. Andreas Marx zufolge gelte es nun, besser vorbereitet zu sein als 2018, zum Beispiel durch Frühwarnsysteme wie im Hochwasserbereich oder eine Regulierung des Wasserverbrauchs in Krisenzeiten.

Zu „gutes“ Wetter: Langer Herbst kann Honigbienen-Völker schrumpfen lassen

Ausgerechnet aufgrund der prototypischen Arbeitsmoral: Eine Klimawandel-bedingte Verlängerung des Herbstes kann zu einem Rückgang von Honigbienenvölkern im Frühjahr führen. Das haben Forschende der Washington State University beobachtet. So würden sich Arbeiterinnen stets bei passendem Wetter auf Blütensuche begeben, unabhängig davon, wie viel Honig sich bereits im Bienenstock befindet. Das Fliegen verkürzt allerdings die Lebensdauer der Bienen. Das sei besonders im Frühjahr relevant, wenn ältere Arbeiterinnen nach der Überwinterung nicht mehr genügend Kraft haben, die Futtersuche fortzusetzen, bis die nachfolgende Generation dazu bereit ist. Im Frühling könne so ein Zusammenbruch des Bienenvolkes drohen. Das Szenario sei bereits bei kurzfristigen klimatischen Veränderungen realistisch und gelte nicht nur für Projektionen im späteren Jahrhundert.

Renommierter Preis geht an Leipziger Klimaforscher

Der Leipziger Klimaforscher Sebastian Sippel erhält als einer von zehn Forschenden den Heinz Maier-Leibnitz-Preis und damit eine bedeutende Auszeichnung für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in der Aufbauphase ihrer Karriere. Sippels Hauptforschungsinteresse gilt der Verbesserung des Verständnisses von Klimavariabilität, Extremereignissen und deren Veränderungen auf globaler und regionaler Ebene. Damit bewegt er sich im noch jungen Forschungsfeld der Klima-Attribution, in dem die relativen Beiträge verschiedener ursächlicher Faktoren zu einem Klimaereignis bewertet werden. Die durch den Preis Ausgezeichneten erhalten ein Preisgeld von jeweils 200.000 Euro, das sie innerhalb von drei Jahren für ihre weitere Forschungsarbeit verwenden können. Insgesamt waren 168 Forscher aus allen Fachgebieten vorgeschlagen worden.

📻 Klima in ARD und Deutschlandradio

Polizist vor Klima-Protestierenden mit Transparent

Von der Klimakrise erzählen, ohne zu verstummen

Beim Sprechen über den Klimawandel geraten viele Menschen in eine Abwärtsspirale, an deren Ende ihnen die Worte fehlen. Wir haben es bisher nicht geschafft, uns der CO2-Neutralität anzunähern. Es gilt, über neue Narrative ins Handeln zu kommen.
Dlf Essay & Diskurs
Krümelmonster und Elin, Text Prima Klima

Sesamstraße: Prima Klima

Elin tritt bei der neuen Sesamstraßen Klima-Quizshow Prima Klima an und fordert Show-Schwergewicht Krümelmonster heraus.
Frau an Flussufer mit ratloser Geste

Illegales Leder

Eine ARD-Story darüber, wie deutsche Autobauer den Regenwald bedrohen.

👋 Zum Schluss

So, noch mal zum Ei: Lange Zeit galt die Faustregel, aus gesundheitlichen Gründen nur ein Ei pro Woche zu essen. Zwischenzeitlich galt Entwarnung, alles nicht so wild, nur ausgewogen solle die Ernährung eben sein. Und jetzt: Eine Rolle rückwärts, die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) findet nun, nur ein Ei pro Woche sollte es sein.

Der Grund ist einfach. Erstens sind Eier ohnehin schon oft genug in verarbeiteten Lebensmitteln verbaut, das hatten wir ja bereits besprochen. Außerdem fließen in die Bewertung der DGE inzwischen auch Umweltaspekte mit ein. Denn ein gesunder Planet ist in vielerlei Hinsicht eben für einen gesunden Menschen zuträglich.

Ach ja, bloß keine Angst vor fehlenden Proteinen! Unter Berücksichtigung der Proteinqualität liefert die gleiche Menge Seitan sogar etwas mehr Eiweiß als Fleisch, statt Milch passt grundsätzlich Sojamilch und anstelle von Eiern? Die sind nun gar nicht so 🥚-weißreich, wie man annehmen möchte. Hülsenfrüchte und Tofu in gleicher Menge tun’s auch.

Aber niemand verlangt ein Tofu-Ei im Osternest. Echt nicht. Versprochen.

Passen Sie auf sich und die Welt auf. Herzlich
Florian Zinner