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Ausgabe #127 vom Freitag, 16. Januar 2024
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Wie der Klimawandel "wandernde Tierarten" bedroht
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Liebe Lesende,
Zugvogel müsste man sein, denke ich mir im Leipziger Februarwetter. Mein Klima-Update-Kollege Florian Zinner schickt Bilder aus Ligurien, die mich daran zweifeln lassen, dass ich aktuell den richtigen Breitengrad gewählt habe. Eine kleine Reise über die Alpen könnte meine Lage entscheidend verbessern. Mein persönliches Vorbild wäre dabei der Waldrapp: Sommer am Bodensee, Winter in der Toskana. Die Tiere passen jeden Herbst die richtigen thermischen Bedingungen ab und fliegen dann – dank Auftrieb – fast mühelos über die Alpen. Klingt nach dolce vita!
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Lässige Punkfrisur trifft süßes Leben in bella Italia: der Waldrapp.
Aber es gibt Probleme: In den vergangenen Jahren schafften es viele Waldrappe kaum noch über die Berge. Umweltschützer vermuten, dass die veränderten Temperaturen im Klimawandel daran schuld sind, dass die Vögel ihre Herbstmigration immer weiter Richtung Winter verschieben. Die besondere Thermik über den Alpen ist dann allerdings nicht mehr so günstig, der Flug wird beschwerlich. Mitunter kehren die Tiere um, teilweise werden sie von Naturschützern über die Berge gebracht und am südlichen Alpenrand wieder freigelassen. Dass der Klimawandel viele "wandernde Tierarten" – dazu gehören auch Zugvögel – besonders stark trifft, zeigt auch ein UN-Bericht, der Anfang dieser Woche veröffentlicht wurde. Dabei können gerade diese Tierarten einen wichtigen Beitrag zur Minderung von CO2 in der Atmosphäre leisten. Wie? Das erkläre ich gleich.
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6.889
… Kilogramm CO2 hat die Sängerin Taylor Swift bei ihrem letzten Flug mit dem privaten Jet verursacht. Zum Vergleich: Eine durchschnittliche Person in Deutschland verursacht im Jahr laut Umweltbundesamt 11.200 kg. Damit hat der Superstar an einem Tag so viel CO2 in die Atmosphäre abgegeben wie die meisten von uns in sieben Monaten. Diese Zahl berechnet die Frankfurter Rundschau. Laut der Digitalagentur Yard machen ihre privaten Flüge Taylor Swift zur Nummer eins der CO2-intensivsten Promis. Für ihr Flugverhalten steht die Sängerin aktuell in der Kritik, ganz alleine dürfte sie damit aber nicht sein: Laut einer Studie des Institute for Policy Studies fallen in den USA circa 50 Prozent der Emissionen aus der Luftfahrt auf die ein Prozent der reichsten Personen. Nach Angaben ihres Teams hat Taylor Swift immerhin "mehr als doppelt so viele Emissionsgutschriften gekauft, wie für den Ausgleich aller Tourneereisen erforderlich wären".
Über die Sinnhaftigkeit von Emissionsgutschriften kann man allerdings auch streiten – mehr dazu erfahren Sie hier bei unseren Kolleg*innen von Quarks.
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Der erste UN-Bericht über den Zustand "wandernder Tierarten"
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... wurde am Montag veröffentlicht. Wandernde Tierarten sind alle, die regelmäßig längere Strecken bewältigen und dabei mitunter Ländergrenzen überwinden. Dazu gehören Lachse und Meeresschildkröten, Störche und Seeschwalben, Gnus und Elefanten. Das Fazit des UN-Berichts: Um viele dieser Tierarten steht es schlimm, 97 Prozent der wandernden Tierarten im Meer sind beispielsweise vom Aussterben bedroht. Dazu gehören wandernde Haie, Rochen und Störe, deren Bestände seit den Siebzigern um 90 Prozent zurückgegangen sind.
Der Klimawandel ist laut dem Bericht zunächst nicht die schlimmste Bedrohung für diese Tiere. Lebensraumverluste, Überfischung und Umweltzerstörung betreffen zahlenmäßig die meisten Spezies. Aber: Forschende erwarten, dass der Klimawandel unsere Artenvielfalt in den kommenden Jahrzehnten noch erheblich stärker bedroht. "Wandernde Arten leben in verschiedenen Bereichen der Erde, das bedeutet, die Tiere sind auch gleich von mehreren Ökosystemen zugleich abhängig", sagt Marten Winter vom Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung iDiv. Der Klimawandel wirke global auf diverse Ökosysteme und treffe diese Arten deshalb besonders sensibel.
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🦌 Dem Klimawandel davon wandern?
Theoretisch könnten diese Tiere dem Klimawandel auch einfach ausweichen – räumlich flexibel sind sie ja. "Das ist tatsächlich die Hoffnung", sagt Marten Winter. Bei Vögeln beispielsweise sehe man bereits, dass manche Arten mittlerweile in Deutschland überwintern, die früher noch in den Süden geflogen seien. Auch der UN-Bericht prognostiziert, dass viele Tiere ihre Wanderrouten in Richtung der Pole verschieben werden. Andere wiederum müssten ihre Routen verkürzen. "Allerdings sind viele Verhaltensmuster wandernder Tierarten im Zuge der Evolution entstanden. So schnell wie wir Menschen aktuell den Planeten verändern, können sich die Tiere oftmals nicht anpassen", prognostiziert Winter.
Besonders heikel wird es für alle Tiere, die kalte Temperaturen bevorzugen: Wer jetzt schon in der Arktis und Antarktis lebt, kann seine Wanderrouten nicht mehr weiter verschieben. Das betrifft beispielsweise Rentiere: Aufgrund der steigenden Temperaturen fällt mittlerweile in der Arktis häufig Regen statt Schnee auf den kalten Boden. Der überfriert zu einer Eisschicht, die die Tiere nicht durchdringen können. Die Folge: Sie kommen nicht an die Flechten und Moose, von denen Rentiere sich im Winter ernähren und verhungern.
Das Beispiel zeigt, wie detailliert manche Arten an eine ganz bestimmte ökologische Nische angepasst sind. Viele Tiere können Klimaveränderungen aber auch schlicht deshalb nicht gut ausweichen, weil wir Menschen Hindernisse gebaut haben. "Terrestrische Lebensräume sind häufig zerschnitten", kritisiert Marten Winter. Wer nicht fliegen könne, habe dann ein Problem.
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🌊 Ozeane am Limit
Die höchste Quote an vom Aussterben bedrohten wandernden Arten lebt laut dem aktuellen UN-Bericht im Meer. 97 Prozent sind hier betroffen. "Mich persönlich überrascht das nicht. Auch die Meere sind ein Lebensraum, der extrem stark durch den Menschen überformt und genutzt wird", erklärt Biodiversitätsforscher Marten Winter: "Wenn ich beispielsweise einen Blick auf eine Karte mit den globalen Fischereirouten werfe – das ist schon sehr intensiv". Auch der aktuelle Bericht sieht Überfischung als wichtigsten Grund für das Artensterben im Meer. Besonders betroffen: Haie und Rochen. Die Tiere brauchen lange, um auszuwachsen und haben eine niedrige Reproduktionsrate. Die internationale Nachfrage nach ihrem Fleisch, Flossen, Kiemenplatten und Leberöl ist dagegen hoch.
Werden zu viele Tiere aus dem Meer gefischt, hat das Konsequenzen für das Ökosystem. "Die Resilienz von Meeren hat ihre Grenzen: Je nachdem wie intensiv wir Menschen in diesen Lebensräumen agieren. Und aktuell entziehen wir diesen Lebensräumen viele Individuen vieler Arten, also viel Biomasse, gerade durch Überfischung", so Winter. Viele Ökosysteme seien aktuell bereits am Rande dessen, was sie leisten können, damit sie noch funktionieren.
🍃 CO2 binden dank intakter Ökosysteme
Dabei wäre gerade das ein zentraler Punkt im Kampf gegen den Klimawandel: Funktionierende Ökosysteme sind nämlich höchst effiziente CO2-Senken. Deshalb sind wandernde Tierarten auch wichtig für unser Klima.
Tiere nehmen – wie wir Menschen auch – Kohlenstoff in ihren Körper auf, als einer der Hauptbestandteile des Lebens auf der Erde. "Die schiere Menge der Meeresökosysteme mit ihren vielen Individuen beispielsweise speichert schon alleine aufgrund der Biomasse eine erhebliche Menge CO2", betont Marten Winter vom iDiv. Sterbe ein Tier, werde es häufig von anderen Arten gefressen, die wiederum die Nährstoffe aufnehmen. Dabei bleibt auch der Kohlenstoff im Kreislauf. Ein Beispiel, das Marten Winter zur Illustration empfiehlt: Ein sogenannter Wal-Fall. Hier im Video zu sehen ist, wie andere Tierarten das Skelett des toten Wals geradezu abnagen.
Marten Winter sagt: "Wenn wir Menschen dann aber beispielsweise Arten aus dem Meer entnehmen, ist dieser Kohlenstoffspeicher nicht mehr gegeben". Und es gibt noch eine zweite, wichtige Funktion wandernder Tierarten für die CO2-Bindung. Indem sie ihre Aufgabe in einem spezialisierten Ökosystem erfüllen, ermöglichen sie beispielsweise auch anderen Lebewesen, zu existieren. "Ein Beispiel sind Seegraswiesen: Die existieren auch, weil sie beispielsweise von wandernden Arten Nährstoffe in Form von Ausscheidungen bekommen. Oder die wandernden Arten, die am Seegras fressen, werden selbst gefressen." Seegraswiesen sind gewissermaßen ein CO2-Speicher mit Potenzial: Ein Hektar Seegraswiese speichert schätzungsweise so viel wie zehn Hektar Wald.
Zusammenfassend kann man sagen: Gesunde Ökosysteme können besonders viel CO2 in ihre Nährstoffkreisläufe aufnehmen. Wenn mehr wandernde Tierarten stark dezimiert werden oder aussterben, schwächt das auch die Ökosysteme. Der Bericht der UN zeigt erstmals, wie schlecht es aktuell um wandernde Tierarten steht. "Eigentlich ist die wissenschaftliche Forschung auf diesem Gebiet schon recht weit, wir wissen recht konkret, wie wir die Arten schützen können", sagt Marten Winter. Die Umsetzung dieser Maßnahmen sei allerdings gerade bei wandernden Arten ein komplexer politischer Prozess: "Regierungen und ihre Institutionen müssen über Grenzen hinweg zusammenarbeiten".
Den UN-Bericht "State of the World's Migratory Species" können Sie hier herunterladen.
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Sonntag, 18. Februar – Radebeul
Von 8:30 Uhr bis 12 Uhr findet die Wasservogelzählung des Nabu Sachsen statt. Treffpunkt ist ist die Auffahrt der Eisenbahn-Elbbrücke Niederwartha, weitere Informationen gibt es hier.
Dienstag, 20. Februar – Online
Beim Klima-Bündnis können Sie sich im Rahmen eines "lunch talks" über Passivhäuser informieren. Die Referent*innen sind Sarah Mekjian (Klima-Bündnis, outPHit) und Harald Malzer (Gemeinnützige Wohnbaugesellschaft aus Tirol, outPHit). Weitere Informationen gibt es hier.
Sonntag, 25. Oktober – Bitterfeld
Der Buchautor und Ökologe Dr. Ernst Paul Dörfler erklärt am Sonntag am Großen Goitzschesee, was die regionalen Vögel im Winter machen. Die Wanderung ist kostenfrei und beginnt um 14 Uhr. Um Anmeldung wird gebeten, alles Weitere hier.
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📰 Klimaforschung und Menschheit
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Weltuntergangs-szenarien führen zu Ablehnung von Klimaschutz
Ein internationales Team unter Co-Leitung der Psychologin Kimberly Doell von der Universität Wien hat die Reaktionen von etwa 59.000 Teilnehmern aus 63 Ländern auf verschiedene Formulierungen untersucht, die alle zu Klimaschutzmaßnahmen auffordern. Dabei fanden die Wissenschaftler heraus, dass Aufrufe, die in einem "Weltuntergangs"-Stil formuliert waren, großteils zu einer höheren Bereitschaft zum Teilen von Beiträgen auf Social Media führte. Bei Klimawandel-Skeptikern hingegen führten solche Formulierungen nur zu stärkerer Ablehnung von Maßnahmen.
Mehr dazu erfahren Sie hier auf den Seiten von MDR WISSEN.
IEA setzt auf Kernkraft
Die Internationale Energieagentur (IEA) hat auf ihrem Ministertreffen in Paris zu verstärkten Anstrengungen für eine Energiewende aufgerufen, um Klimaziele zu erreichen und die Erderwärmung zu begrenzen. Die weltweite Kapazität an erneuerbarer Energie müsse dazu bis 2030 verdreifacht werden, erklärte die Industriestaatenorganisation am Mittwoch nach zweitägigen Beratungen. Es seien dringend politische Maßnahmen nötig, um wirtschaftliche Hindernisse und geopolitische Spannungen zu überwinden, die dem Ausbau erneuerbarer Energie entgegenstehen, hieß es im Abschlussdokument des Spitzentreffens. Ausdrücklich betonte die IEA die Rolle, die die Kernkraft beim Klimaschutz und der Energiewende spielen kann. "Die Länder, die sich für die Nutzung der Kernenergie entscheiden oder sie unterstützen, erkennen deren Potenzial als saubere Energiequelle, die die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen verringern, die Klimakrise bewältigen und die globale Energiesicherheit verbessern kann", hieß es.
Mehr Eisfreie Zeit sorgt für weniger Gewicht bei Eisbären
Eisbären gehen in der zunehmend länger werdenden meereisfreien Zeit auch an Land auf Futtersuche, sind dabei aber weniger erfolgreich und verlieren an Gewicht. Das ist das Ergebnis einer Studie von Forschern des Alaska Science Centers in den USA. Das Team um Anthony Pagano untersuchte 20 Eisbären an der kanadischen Hudson Bay während der meereisfreien Zeit, die dort mittlerweile rund 130 Tage beträgt.
Die Hintergründe erfahren Sie auf mdr-wissen.de.
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Wie nachhaltig ist Carsharing?
Das fragen die SWR-Ökochecker. Hier gehts zur gesamten Sendung (ca. 10 Minuten) in der ARD-Mediathek.
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Signal Iduna, Shell und Microsoft bei Leipzig: Investment in Solarstrom boomt
Südlich von Leipzig wird aktuell gebaut, was Deutschlands größter Solarpark werden soll.
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Übers Klima reden - aber wie?
Diese Frage stellt sich der NDR-Podcast "Synapsen" aus wissenschaftlicher Perspektive. Die Folge ist bereits im Dezember erschienen, aber empfehlenswert.
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Um noch einmal auf den Waldrapp zurückzukommen. Vielleicht sind Sie ja – wie ich – nach dem eingangs gezeigten Bild schockverliebt in die Tiere. Nachdem der Waldrapp bereits im 17. Jahrhundert ausgerottet wurde und danach nur noch in Zoos zu finden war, gibt es die Tiere nun wieder in Europa. Aber sie sind auf menschliche Hilfe angewiesen, beispielsweise aufgrund der schwierigen Alpen-Überquerung.
Ich empfehle Ihnen fürs Wochenende den Dokumentarfilm "Der Waldrapp – Zugvogel im Aufwind" in der ARD Mediathek. Und wünsche Ihnen ein paar schöne Vorfrühlings-Tage.
Inka Zimmermann
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