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Ein Elektroauto im Winter
Ausgabe #127
vom Freitag, 09. Februar 2024

Eiswetter im E-Auto-Land: Was glatt läuft und wo es rutschig wird

von Katja Evers

Hallo zusammen,

in Norwegen herrscht Wetterchaos. Während der Norden mit den Auswirkungen des stärksten Sturms seit über 30 Jahren zu kämpfen hat, erholt sich der Süden gerade vom Schneechaos. 

Mittendrin steht Oslo und bekommt ungewollt internationale Aufmerksamkeit. Denn der Nahverkehr –  mit fast 80 Prozent E-Bussen eigentlich Hochglanzprojekt der Stadt – ist mit dem Wintereinbruch im Dezember „lahmgelegt“ worden. So vermelden es zumindest einige deutsche Tageszeitungen. Die brandneuen Elektrobusse wären „nicht auf diese Temperaturen ausgelegt“ – die Batterien „versagen kläglich“.

Gefundenes Futter für alle Gegner der Elektrofahrzeuge. Aber was ist dran? Hat Kälte tatsächlich einen Einfluss auf Elektrofahrzeuge? Sind sie womöglich gar nicht wintertauglich? Nur so viel: Auch so mancher Norweger ist skeptisch. Warum, das klären wir gleich.

Aber erst einmal wie gewohnt zur …

#️⃣ Zahl der Woche

1,52

... Grad Celsius lag die Temperatur im letzten Jahr durchschnittlich über dem Referenzwert aus dem vorindustriellen Zeitalter. Das zeigen Daten des EU-Klimadiensts Copernicus. Von Februar 2023 bis Januar 2024 war die Durchschnittstemperatur demnach so hoch wie nie zuvor. Damit ist die im Pariser Klimaabkommen von 2015 vereinbarte Marke überschritten worden. Samantha Burgess, stellvertretende Direktorin des Copernicus-Klimawandeldiensts (C3S) sieht das Ziel aber nicht als verfehlt an. Dafür müssten längerfristige Durchschnittswerte herangezogen werden. Der Januar etwa war weltweit betrachtet zwar der wärmste seit Beginn der Aufzeichnungen, fiel allerdings in Teilen Europas unter das Mittel, mit erheblichen Unterschieden.

Sind Elektrofahrzeuge nicht wintertauglich?

Zunächst einmal muss ich Ihnen das Osloer Geschehen einordnen, bevor die falsche Information sich bei Ihnen festsetzt. Was einige Tageszeitungen hier so hämisch vermelden, ist nämlich schlichtweg übertrieben: Laut Osloer Busunternehmen wurden umgerechnet für den gemeldeten Zeitpunkt im Dezember nur knapp 2 Prozent der Abfahrten gestrichen, im Januar waren es 5 – von einem Komplettausfall war man also weit entfernt.

Wäre jeder Kälteeinbruch ein Problem, müsste man doch ernsthaft am Verstand der Norweger zweifeln. Schließlich hat nicht nur Oslo fast komplett auf E-Busse umgerüstet (fast 80 Prozent), sondern auch Bodø, eine Stadt nördlich des Polarkreises – und einer Jahresdurchschnittstemperatur von erfrischenden 2,4 Grad. Selbst in der Finnmark, wo wohlbemerkt auch einmal Temperaturen von -40 Grad herrschen, gibt es E-Autos. Auch wenn es, zugegebenermaßen, deutlich weniger sind.

Die Zahlen zeigen aber auch noch etwas Anderes: Obwohl fast nur noch Elektroautos neu gekauft werden, machen sie nur ein Fünftel der Gesamtautos aus. Denn viele Norweger haben noch ein zweites Auto. Einen Verbrenner, als Backup. Der stammt oft noch aus Zeiten, als Reichweite und Batteriekapazität bei Elektroautos tatsächlich noch ein Problem waren. Die Technik ist nun deutlich weiter, die Skepsis hat sich teils aber erhalten.

Wie sich das speziell für das Fahren im Winter äußert, zeigt eine Umfrage des norwegischen Automobilclubs NAF. Drei der Kältemythen daraus will ich ihnen jetzt vorstellen.

1. Das Auto startet nicht

Ein Fünftel der Befragten glaubte, dass bei Kälte Elektroautos häufiger Startprobleme auftreten als bei Autos mit Verbrennungsmotor (bei deren Besitzern war es sogar fast ein Drittel). 

Tatsächlich ist die häufigste Pannenursache – sowohl im norwegischen als auch im deutschen Winter – die Batterie. „Aha“, wird nun vielleicht der eine oder andere von Ihnen aufschreien „Batterie, also klarer Nachteil fürs Elektroauto“. Nicht ganz! Ein Elektroauto besitzt zwei Batterien und die anfällige von beiden ist die 12-Volt-Batterie, die auch in Verbrennerfahrzeugen zu finden ist. In beiden Fällen, um den Motor zu starten. 

Laut ADAC machen die Starterbatterien in Elektro-und Verbrennerautos  gleichermaßen schlapp („nicht weniger, aber auch nicht mehr“). Genau können sie das in der Pannenstatistik des ADAC von 2023 nachlesen. Auch Nils Sødal vom NAF bestätigt mir das Gleiche für die norwegische Pannenstatistik.  Unterschiede gäbe es hinsichtlich Batterie nur beim Aufheizen im Winter! 

2. Es wird nicht warm

Denn das Aufheizen funktioniert unterschiedlich. Während ein Verbrennerauto die Abwärme des Motors nutzt (außer man verwendet die Standheizung), um den Innenraum zu heizen, geht das beim Elektroauto direkt über die „große“ Batterie. Das sorgt oft für Angst: Was, wenn die Heizung die Batterie leersaugt und man plötzlich stehen bleibt? Was, wenn man im Stau steht und dann frieren muss?

Geschürt wird das nur noch durch Ankündigungen wie die des Osloer Busunternehmens, die Busse auf 13 Grad herunterkühlen zu wollen. Kein Wunder also, dass 27 Prozent der befragten Norweger glauben, dass ein Elektroauto im Winter nicht wirklich kuschelig warm wird.

Ein Muss ist das Frieren jedenfalls nicht: Der ADAC hat 2021 mal getestet, was passiert, wenn Elektroautos (ein Renault ZOE Z.E. 50 und ein VW e-up) bei klirrender Kälte (-9 bis -14 Grad) über Nacht stehen bleiben – mit aktiver Sitzheizung, einer Innentemperatur von angenehmen 22 Grad und eingeschaltetem Standlicht (damit die Fahrzeuge auch im Stau sichtbar bleiben). Ergebnis: Nach 12 Stunden waren beim Renault 70 Prozent, beim VW 80 Prozent des Akkus verbraucht – das entspricht einem Leistungsbedarf von durchschnittlich 2-3 Kilowatt pro Stunde. Im Renault könnte man damit 17 Stunden im kuschelig warmen Auto ausharren, im VW 15. 

Natürlich kommt es hier stark darauf an, wie voll die Batterie zu Staubeginn war. Aber auch beim Verbrennerfahrzeug würden sie – hoffentlich – nicht mit fast leerem Tank auf die volle Autobahn fahren. Falls doch, hilft ihnen vielleicht die Tatsache, dass für den Verbrenner ein Ersatzkanister herhalten (wenn sie umsichtig genug waren ihn mitzunehmen) oder das Elektroauto, wenn es auf Null ist, immer noch ein paar Kilometer fahren kann. Oder aber schlichtweg die Tatsache, dass die Wahrscheinlichkeit, dass sie mehrere Stunden im Stau stehen, gering ist. Was aber, wenn sie nun nicht im Stau stehen, sondern den Akku auch tatsächlich fürs Fahren nutzen?

3. Man kommt nicht weit

Das Thema Reichweite ist ein Dauerbrenner in Sachen Elektroautos. Für die Norweger ist diese Frage besonders relevant. Nicht nur, weil bewohnte Gebiete oft weit auseinanderliegen, sondern weil die Norweger ihren „Hyttekos“ lieben (ein norwegisches Nationalgefühl, dass ich mal frei mit „Hüttengemütlichkeit“ übersetzen würde). 

Viele Norweger besitzen eine Freizeithütte in den Bergen (zum Ski fahren) oder am Wasser (zum Boot fahren), die dann eben auch gerne mal mitten im Nirgendwo liegen. Und ja, ich kann ihnen tatsächlich offizielle Zahlen des Statistischen Zentralbüros in Norwegen nennen: Die Norweger besitzen exakt 448 805 Hütten auf etwas mehr als 5 Millionen Einwohner, oder vielleicht noch anschaulicher: auf 2,5 Millionen Haushalte. Um jedenfalls auf diese Hütten zu kommen, wird gerne das oben bereits erwähnte Backup-Auto verwendet. Nicht verwunderlich also, dass das NAF der Hyttetur einen eigenen Test gewidmet hat und auch insgesamt große Reichweitentests mit Elektroautos durchführt.

Jedes Jahr werden dafür eine Reihe verschiedener Elektroautomodelle an jeweils einem Testtag im Sommer und im Winter auf ihre Reichweite geprüft. Der letzte Wintertest war Ende Januar 2024: 23 Autos, eine Strecke von Oslo nach Dombås (von 18 Meter über dem Meerespiegel auf 1069) und Temperaturen zwischen 4 und -11 Grad. Wie genau die Testmodelle jeweils abgeschnitten haben, können Sie sich hier anschauen. Wichtig ist: Im Schnitt haben die Elektroautos 4 bis 36 Prozent ihrer Reichweite im Winter verloren.

Bei einigermaßen vergleichbaren Tests (Winter- und Sommerwerte, allerdings mit deutschen Temperaturen und nur 3 getesteten Autos) kommt der ADAC auf Mehrverbräuche (also nicht die konkrete Reichweite) von 25 bis 31 Prozent. Bei Benzinern, heißt es, seien es im Mittel plus 15 Prozent, beim Diesel plus 24 Prozent. Je nach Modell und Gegebenheiten verbraucht das Elektroauto im Winter also tatsächlich mehr. Der verringert sich laut ADAC allerdings, wenn die Autos per Standheizung schon vorgewärmt werden - auch beim Verbrenner. Beim Elektroauto ist sie aber serienmäßig eingebaut und kann den Strom aus der Steckdose ziehen, solange das Auto am Kabel hängt. Kein Eiskratzen inklusive!

Übrigens bei Kaltstarts auf Kurstrecke (23 Kilometer) steigt der Mehrverbrauch dann laut der Initiative Green NCAP auch mal auf 70 Prozent. Ankommen werden Sie trotzdem locker! Selbst bei den widrigen Bedingungen des norwegischen Winters und der insgesamt bergigen norwegischen Landschaft hat das erste Auto im NAF-Test erst bei 286 Kilometer aufgeben, der Testsieger hat es 522 Kilometer weit geschafft. Damit kommen sogar die Norweger auf ihre Hytte.

🗓 Klimatermine

Freitag, 09. Februar – Dresden

Bis heute Abend können sich Jugendliche für das Theaterprojekt „Meine Welt ist aus den Fugen“ anmelden. Dabei soll es um den Umgang mit den Krisen unserer Zeit gehen. Das Projekt findet vom 28.2. – 27.10.2024 in der St. Pauli Ruine statt und ist kostenlos. Infos und Anmeldung hier

FREITAG, 16. Februar – Erfurt

Wie werden die Obstbäume klimafit? Dieser Frage gehen die die Teilnehmenden des „Obstbaumkurses klimafitte Sämlinge“ nach und lernen was es in der Aussaat und Sämlingsvemehrung braucht, um der der zunehmenden Trockenheit und stärker werdenden Stürmen zu begegnen.  Infos hier

Bis Kontingentende – online

Die Landesagentur Sachsen-Anhalt sponsert Gutscheine für eine kostenlose Teilnahme am Ofenführerschein. Ziel ist es den richtigen Umgang mit dem eigenen Ofen zu lernen und dadurch den Ausstoß von Schadstoffen zu reduzieren und Brennholz zu sparen. Laut Agentur sind bereits zahlreiche Gutscheine vergeben, einige wenige sind aber noch verfügbar. Mehr dazu hier

📰 Klimaforschung und Menschheit

Ampel einigt sich auf Kraftwerksstrategie

Die Bundesregierung hat sich auf einen Kompromiss im Ringen um den Bau neuer Kraftwerke verständigt. Bundeskanzler Olaf Scholz, Wirtschaftsminister Robert Habeck und Finanzminister Christian Lindner hätten "die wesentlichen Elemente einer Kraftwerksstrategie sowie Festlegungen zu weiteren Vorhaben vereinbart", teilte die Bundesregierung mit. So sollen etwa Konzepte für einen sogenannten Kapazitätsmechanismus erarbeitet werden. Über einen solchen Mechanismus könnten Betreiber in einigen Jahren dafür honoriert werden, dass sie Kraftwerkskapazitäten vorhalten. Man wolle außerdem die Planungs- und Genehmigungsverfahren für die in der Kraftwerksstrategie enthaltenen Kraftwerke substanziell beschleunigen, hieß es. Insgesamt soll zunächst die Errichtung von bis zu zehn Gigawatt an Gas-Kraftwerksleistung ausgeschrieben werden. 2032 soll festgelegt werden, wann zwischen 2035 und 2038 die Anlagen vollständig auf Wasserstoff umgestellt werden. Die Förderungen sollen aus dem Klima- und Transformationsfonds finanziert werden. 

Knappe mehrheit für dreifache SUV-Parkgebühren in Paris

Das ergab eine Bürgerbefragung in Paris. Laut Stadtverwaltung lag die Zustimmung bei rund 54 Prozent der abgegebenen Stimmen. Allerdings hatten nur knapp 6 Prozent überhaupt abgestimmt. Bürgermeisterin Hidalgo sprach dennoch von einem klaren Votum und dankte den Pariserinnen und Parisern. Kritik gab es indes von konservativer Seite. Die Senatorin Evren von der Partei Les Républicains sprach von einem „ideologisch-ökologischem Fiasko“. Sie kritisierte unter anderem, dass die Fragestellung voreingenommen sei. Auf dem Stimmzettel hieß es: „Sind Sie für oder gegen einen speziellen Parktarif für schwere, platzraubende und umweltschädigende Privatfahrzeuge?“ Die Pariser Stadtverwaltung plant mit einer dreifach höheren Parkgebühren auf SUVs und andere schwere Fahrzeuge, für weniger Umweltbelastung, mehr Platz und eine höhere Verkehrssicherheit zu sorgen. 

1,5-Grad-Ziel bereits überschritten?

Das legt eine neue Studie nahe, die im Fachblatt Nature Climate Change erschienen ist. Demnach könnte die Erderwärmung schon in den 1860er-Jahren begonnen haben und damit etwa ein Jahrhundert vor den Annahmen des Weltklimarats. Dies hätte zur Folge, dass die globale Durchschnittstemperatur bereits 1,7 Grad über dem Wert des vorindustriellen Zeitalters läge und damit über dem Pariser Klimaziel von 1,5 Grad. Die Forschenden hatten dazu Korallen-Schwamm-Skelette im Karibischen Meer analysiert und konnten anhand deren Zusammensetzung auf die umgebende Meerestemperatur seit dem 18. Jahrhundert schließen. Unabhängige Fachleute wie Jochem Marotzke, Direktor des Max-Planck-Instituts für Meteorologie in Hamburg, hält die Schlussfolgerung jedoch für unhaltbar. Er verwies dabei unter anderem auf fehlende Langzeitbeobachtungen und fehlende Beobachtungen zu natürlicher Variabilität. Der renommierte Klimaforscher Mojib Latif verwies außerdem darauf, dass die Diskussion um Zehntelgrade akademisch sei und nicht von der Dringlichkeit des Handelns ablenken sollte.

📻 Klima in ARD und ZDF

Mit Schnelladern zur E-Mobilität?

Es gibt zu wenig Ladesäulen für Elektro-Autos. Das bremst die Elektromobilität in Deutschland. Tüftler aus Brandenburg versprechen eine Lösung. 

Gaskraftwerke als Energieversorger 

Neue Gaskraftwerke sollen die Energieversorgung nach dem Kohleausstieg sichern. Klimaökonomin Claudia Kemfert hält den Plan für fehlgeleitet, teuer und ineffizient.

Extremwetter und Klimawandel

Unser Wetter wird extremer. Der Podcast fragt, welche Rolle der Klimawandel spielt, und wie wir uns schützen können.

👋 Zum Schluss

Für das Osloer Verkehrschaos gibt es eine Reihe von Gründen, die laut Unternehmen nicht per se mit allen Elektrobussen zusammenhängen, sondern sehr spezifischen. Im April und Dezember letzten Jahres hatten nämlich neue Busse ihren Dienst gestartet – einmal von der spanischen Marke Solaris und einmal von der deutschen Marke MAN. Beide waren das erste Mal im Wintereinsatz. 

Die neuen zugehörigen Ladegeräte funktionierten an manchen Stellen nicht und mussten nachgerüstet werden, gleichzeitig war die Reichweite deutlich kürzer als von den Herstellern angegeben (was ironischerweise mit funktionierenden Ladegeräten kein Problem gewesen wäre). Ein einberechneter Puffer von 50 Prozent möglichem Mehrverbrauch hatte nicht ausgereicht, erklärt der zuständige Direktor Henrik Anderberg überrascht in einem Interview mit NRK, der norwegischen ARD.
 
Ein dauerhaftes Problem sieht er aber nicht. Bei Kälte müsse man einfach Strom einsparen: Dazu gehört das Herunterkühlen der Innentemperatur, aber auch der Versuch, die Türen besser abzudichten, die Fahrweise anzupassen und die Busse schon vor Fahrtantritt vorzuwärmen.

Übrigens auch in Bodø, gab es Probleme mit den Ladegeräten. Allerdings nicht, weil sie nicht funktionierten, sondern, weil man schlichtweg die Höhe der Eisplatte auf den Straßen unterschätzt hatte. Die Busse kamen dadurch zu hoch an, um aufgeladen zu werden. Auch das bringt der norwegische Winter! Dessen Luft ist in den beiden Städten aber jetzt schon messbar sauberer geworden. An den Busausfällen dürfte das nicht liegen.

Liebe Grüße
Katja Evers