Manganknollen aus der Tiefsee des Pazifiks
Bergbauunternehmen wollen Manganknollen auf dem Grund der Ozeane ernten. Bildrechte: imago/blickwinkel

Hochseeschutz Tiefseebergbau: Die ökologischen Schäden könnten 10.000 Jahre übersteigen

09. März 2023, 20:02 Uhr

Eine kanadische Firma hat eine Genehmigung für den Abbau von Manganknollen im Pazifik beantragt. Man brauche die Rohstoffe, um den Bedarf für die Energiewende zu decken. Forscher warnen vor unvorhersehbaren Folgen.

Die Weltgemeinschaft hat sich auf ein neues Abkommen zum Naturschutz der Hochsee geeinigt. Doch der Tiefseebergbau bleibt davon ausgeklammert. Die kanadische Firma Metals Company hat bereits im Sommer 2021 zusammen mit dem Inselstaat Nauru eine Genehmigung für den Abbau von Manganknollen vom Grund des Pazifik beantragt. Damit lösten sie eine Zwei-Jahres-Klausel im internationalen Seerechtsabkommen aus. Demnach muss die ISA, die UN-Behörde für den Meeresboden, bis Juli dieses Jahres Regeln für den Tiefseebergbau festlegen und den Antrag zur Not auf Basis des aktuellen Rechtsrahmens genehmigen.

Das Problem daran: Über das sensible Ökosystem der Tiefsee ist immer noch viel zu wenig bekannt, um die Folgen abzuschätzen oder Regeln für den Abbau festzulegen, die die Umwelt zumindest in Teilen schützen.

Ökologische Schäden für viele tausend Jahre drohen

Eine alte Vermutung lautet gemeinhin, dass auf dem tiefen Meeresboden unter den großen Ozeanen in einigen tausend Metern Tiefe nicht viel lebt. Dass das aber völlig falsch ist, zeigen seit einigen Jahren viele Expeditionen, darunter auch des deutschen Forschungsschiff Sonne und des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung.

Tatsächlich tummelt sich am Grund eine Vielzahl an Organismen, wie Schwämme, Mikroben oder Korallen. "Sehr viele dieser Arten sind noch nicht erforscht. Ich würde schätzen, etwa 90 Prozent", sagt Sabine Gollner, Forscherin am königlichen Institut für Meeresforschung der Niederlande. Der Tiefseebergbau könnte diese Ökosysteme auf viele zehntausend Jahre hinweg schädigen, mitunter sogar auf mehrere Millionen Jahre.

Eine Fläche der Größe von Spanien und Frankreich könnte zerstört werden

Begehrt sind bei Bergbauunternehmen vor allem die sogenannten Manganknollen. Das sind über Millionen von Jahren gewachsene Klumpen von Metall, die neben Mangan vor allem Eisen, Nickel, Kobalt und Kupfer enthalten. Diese Klumpen liegen vorwiegend auf dem Grund des Pazifiks im Gebiet der sogenannten Clarion Clipperton Zone zwischen Mexiko und Hawaii. Unter Wasser könnten viele hundert Quadratkilometer abgeerntet werden.

Die Unternehmen würden dazu den Meeresboden absaugen, Knollen von Sand und Lebewesen trennen und diese nicht benötigten Sedimente wieder über dem Meeresboden verteilen. Die Knollen selbst würden nach oben transportiert, auf den Schiffen gereinigt und das Abwasser wieder erneut in den Ozean abgelassen. Auch hier würden wieder große Mengen an Sediment und damit Trübstoffen das Wasser verunreinigen.

"Es könnte damit das vier- bis fünffache der eigentlichen Bergbaufläche geschädigt werden", warnt Matthias Haeckel, der am Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung (GEOMAR) in Kiel zu mariner Biogeochemie forscht. Dabei gehe es um eine Fläche der gemeinsamen Größe von Spanien und Frankreich.

Hände in lila-farbenen Gummihandschuhen waschen Plastikteile, die in einer schwarzen Tonne im Wasser schwimmen. 2 min
Bildrechte: UFZ / Roman Kroke
Hände in lila-farbenen Gummihandschuhen waschen Plastikteile, die in einer schwarzen Tonne im Wasser schwimmen. 2 min
Bildrechte: UFZ / Roman Kroke

Schäden von Experimenten in den 1980ern bis heute deutlich sichtbar

Umweltschäden entstehen, weil die über tausende Jahre gewachsenen Lebensgemeinschaften am Grund gestört werden und vermutlich viele der sensiblen Arten getötet würden. Das Aufwirbeln von Sedimenten könnte zudem auch die Nahrungsaufnahme der Bewohner höherer Wasserschichten stören. Aber auch die Metallknollen selbst sind ein Lebensraum unter anderem für Anemonen, Schwämme und Korallen.

Zugleich regenerieren sich diese Systeme im Gegensatz zu den Ökosystemen an Land extrem langsam. Bei ersten Experimenten zum Tiefseebergbau in den 1980er Jahren entstandene Schäden seien bis heute klar erkennbar, sagt Sabine Gollner.

Rohstoffe an Land reichen für E-Autos aus

Aber würde sich der ganze Aufwand lohnen, um wertvolle, für die Energiewende benötigte Rohstoffe zu erhalten? Andreas Manhart, der am Öko-Institut in Freiburg zu Produktketten forscht, ist skeptisch. Zwar enthalten die Knollen eine ganze Reihe von Metallen, darunter auch Lithium oder seltene Erden. Doch deren Konzentrationen seien oft so gering, dass sich letztlich nur Nickel, Eisen, Kobalt und Mangan wirklich verarbeiten ließen.

"Die kritischen Rohstoffe für die Lithium-Ionen-Batterien, Lithium und Grafit, die können wir nicht aus den Manganknollen gewinnen", sagt Manhart. Nur Kobalt sei interessant für die Produktion von Batterien, die für E-Autos und andere Elektrogeräte benötigt würden. Allerdings setze die Industrie wegen der hohen Preise derzeit vor allem auf Akkus ohne Kobalt. "Folglich können die Rohstoffe, die wir an Land haben, die Ressourcen, die wir für die Batterien für die Elektroautos brauchen, zur Verfügung stellen", schließt Manhart.

Recycling als Alternative zum Bergbau oft unattraktiv, weil Sammelsysteme fehlen

Für die Unternehmen, die den Tiefseebergbau angehen wollen, komme hinzu, dass es sechs bis zehn Jahre dauern könne, bis alle Technologien soweit sind, um im großen Maßstab Rohstoffe aus den Knollen gewinnen zu können. "Ob das ganze rentabel wird, hängt von den Rohstoffpreisen und damit von den Entscheidungen ab, die jetzt politisch getroffen wird. Dann wird es aber auch Kinderkrankheiten geben bei der Technologie und die werden teuer", ist sich der Experte vom Öko-Institut sicher.

Warum aber stillt die Menschheit ihren Rohstoffhunger dann nicht durch Recycling und nutzt die Ressourcen, die in Altgeräten und Schrott stecken? Hier sei das Problem, dass viele Länder diesen Müll nicht richtig wiederverwerten. "In vielen Regionen der Welt werden Batterien, in denen viel Kobalt steckt, nicht gesammelt." Das führe zu hohen Kosten, um ausreichende Mengen von Schrott zusammenzubekommen. "Diese Kosten der ersten Meile sind für viele Unternehmen zu hoch", sagt Manhart. Daher sei der Tiefseebergbau attraktiv, da hier viele Rohstoffe auf dichtem Raum gebündelt abbaubar sind.

Recycling wäre einfacher als Grundlagenforschung in der Tiefsee

Deutschland drängt in der Frage des Tiefseebergbaus derzeit auf ein Moratorium, will also einen möglichen Start des Abbaus aufschieben, bis dringende Fragen zu den Umweltfolgen beantwortet sind. Die dafür nötige Grundlagenforschung aber könnte noch viele Jahrzehnte benötigen, sind sich Sabine Gollner und Matthias Haeckel sicher. Möglicherweise käme die Menschheit durch ein besseres Management von Recycling schneller an die Ressourcen, die sie für Windräder und Batterien benötigt.

(ens/smc)

0 Kommentare