Frisch geerntet und gekocht: Wie Göttingen klimafreundlicher isst
Das Projekt "Göttingens Ernährung im Wandel" zeigt, wie aus Salatköpfen vom Acker ein frisches Mittagessen für 2.000 Schüler wird - regional, bio und mit viel Engagement.
"So, der ist was geworden." Niklas Richelshagen schneidet einen Kopf Salat ab, wischt sich den Schweiß von der Stirn - und lächelt. Die knackigen Blätter landen nicht im Großhandel, sondern in einer Schulküche in Göttingen. "Dass die Kinder jetzt regional und gesünder essen, das macht mich echt stolz", sagt der junge Landwirt. Auf 5.000 Quadratmetern zieht er auf einem Acker der StadtSoLaWi (Solidarische Landwirtschaft Göttingen) Kohlrabi, Mairübchen, Mangold und Kräuter - und beliefert damit Schulen in der Region.
Äpfel, Beeren und Zwetschgen in Bio-Qualität
Richelshagens Hauptbetrieb in Northeim liefert zusätzlich Äpfel, bald auch Beeren und Zwetschgen, alles in Bio-Qualität. Vieles davon geht direkt an die städtischen Küchen. "Für uns als Betrieb ist das eine tolle Möglichkeit - und für die Kinder ein Gewinn. Denn wir sind, was wir essen", betont Richelshagen.
Regional, bio - und lecker?
Mittagspause in der Mensa der Geschwister-Scholl-Gesamtschule. Zwei Köche schneiden Gemüse, Dampf steigt aus großen Töpfen, Schülerinnen und Schüler balancieren Tabletts. 2.000 Essen gehen hier täglich über den Tresen. Küchenleiter Heiko Dylla weiß: Geschmack und Nachhaltigkeit unter einen Hut zu bringen, ist nicht einfach: "Wir wollen mehr Vollkorn, mehr Gemüse, weniger Fleisch - aber es soll auch schmecken."
Fleisch und Fisch jeweils einmal pro Woche
Einmal pro Woche gibt es Fleisch, einmal Fisch - der Rest ist vegetarisch. Gerichte wie Grünkernpatties oder Gemüseeintopf sollen neue Essgewohnheiten anstoßen. Gekocht wird nach den Standards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung - mit viel Frische, aber auch viel Aufwand. Dylla: "Man braucht Geduld. Und Aufklärung. Nur wenn Kinder verstehen, warum wir das machen, wächst auch ihr Bewusstsein."
"Ich wusste gar nicht, dass das aus Göttingen kommt"
Die Reaktionen in der Mensa sind gemischt, aber positiv: "Ich wusste gar nicht, dass das aus Göttingen kommt", staunt Schülerin Jemila. "Schmeckt voll frisch!" Genau hier setzt das Projekt "Göttingens Ernährung im Wandel" an, das seit Anfang 2025 vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft gefördert wird. Ziel ist es, nicht nur das Angebot zu verändern, sondern auch das Bewusstsein für nachhaltige Ernährung zu stärken.
Klimaschutz mit Messer und Gabel
Anja Köchermann von den Göttinger Küchenbetrieben ist überzeugt: "Wenn wir morgens ernten und mittags kochen, ist das ein Riesenfortschritt." Seit Anfang 2025 testet Göttingen, wie sich Schulen klimafreundlich und sozial gerecht ernähren können - und wie sich dieses Wissen auf andere Einrichtungen übertragen lässt. Der Hintergrund ist ernst: Rund 30 Prozent des weltweiten Energieverbrauchs hängen mit Ernährung zusammen - vom Dünger bis zur Tiefkühltruhe. Weniger Fleisch, weniger Verpackung, kürzere Lieferwege können dabei viel bewirken.
Netzwerk aus Landwirtschaft, Küchen und Stadt
Das Göttinger Modell setzt auf regionale Netzwerke: Landwirte, Küchenbetriebe und die Stadt arbeiten Hand in Hand. Die Erfahrungen sollen künftig auch anderen Einrichtungen - von Kitas bis Seniorenheimen - zugutekommen. "Wir wollen niemandem etwas verbieten", sagt Köchermann. "Aber wir zeigen, was möglich ist - mit Teamarbeit, Engagement und frischen Zutaten."
Ein Vorbild für ganz Deutschland?
Bis 2027 läuft das Projekt, dann soll es bestenfalls verstetigt werden. Schon jetzt interessieren sich Kommunen aus ganz Deutschland für den Göttinger Ansatz. Denn was hier im Kleinen beginnt - vom Acker bis auf den Teller - könnte in Zukunft ein Modell für viele Städte werden. Nachhaltig, lokal, gesund. Und ziemlich lecker.
Besser essen - 7 Tipps vom Küchenchef
Wie kann man sich nachhaltiger, klimafreundlicher und trotzdem alltagstauglich ernähren? Heiko Dylla hat aus der Schulküche einige einfache und wirkungsvolle Empfehlungen:
- Mehr Gemüse auf den Teller: "Es muss nicht immer Fleisch sein. Wenn das Gemüse gut gewürzt ist, kommt das richtig gut an."
- Vollkorn statt Weißmehl: "Vollkorn sättigt besser, hat mehr Nährstoffe - und wird mit der Zeit ganz selbstverständlich."
- So regional wie möglich: "Was direkt aus der Umgebung kommt, spart Wege, schmeckt frischer und stärkt die Betriebe vor Ort."
- Bewusster Genuss tierischer Produkte: "Einmal pro Woche Fleisch reicht - dafür hochwertig und gut zubereitet."
- Frisch kochen statt auf Fertiges setzen: "Je frischer die Zutaten, desto besser das Ergebnis - das schmeckt man einfach."
- Aufklärung schafft Akzeptanz: "Die Kinder müssen verstehen, warum wir das machen. Wenn sie es wissen, machen sie auch mit - aber das dauert."
- Geduld und Wiederholung: "Veränderung braucht Zeit. Wenn wir ein neues Gericht öfter anbieten, wird es irgendwann ganz normal."